von schwerem Leid 

Im Archiv der Kirchgemeinde und im Zivilstandsamt Diessbach b.B. werden verschiedene Kirchenbücher aus älterer Zeit aufbewahrt, die Chorgerichtsmanuale und die Hochzeit-, Tauf- und Totenrodel. Alle diese Bücher wurden von den Pfarrern geführt und gewähren einen Einblick in das Leben und Sterben unserer Vorfahren. Das erste, was uns auffällt, ist die viel grössere Sterblichkeit. Trotzdem die Einwohnerzahl der vier Ortschaften weniger als die Hälfte der gegenwärtigen ausmachte, weist sozusagen jedes Jahr eine grössere Zahl von Todesfällen auf als heute.

Mehr als die Hälfte aller Verstorbenen sind Kinder. Diese furchtbare Kindersterblichkeit muss der Schrecken aller Eltern gewesen sein.
Pfarrer Rudolf Bachmann, der von 1799 bis Januar 1849 in Diessbach wirkte, hat für seine Amtsdauer 89 ungetauft gestorbene und totgeborene Kinder in einem speziellen Register angeführt. Viel grösser aber ist die Zahl jener, die nur wenige Wochen alt wurden, bis höchstens einige Monate. Ihnen folgt die lange Reihe jener, die das 10. Lebensjahr nicht erreichten. Ihre Zahl ist erschreckend!

Das Leben der jungen Mütter war damals ebenfalls ungleich viel grössern Gefahren ausgesetzt als heute. Zahllos sind die Fälle, wo die Mutter die Geburt eines Kindleins mit dem Leben bezahlen musste, ja, dass Mutter und Kind zugleich den Tod fanden. Zurück blieben Ehemann und meist eine ganze Zahl trauernder Waisen.

Neben der Pest, deren Züge auch unsere Gegend immer wieder berührten, brachten andere epidemische Krankheiten dem Tod reiche Ernte, Typhus, Ruhr u.a. So wütete im Jahre 1750 in den Monaten September und Oktober die «Rote Ruhr» (Dysenterie) in unserem Dorfe. Im Totenrodel lesen wir: «1750, Septembris, den 5. ist Bendicht Aeberhardt von Jegistorf, zu Büetigen wohnhaft, in seinem 40. Jahr begraben worden. Er hatte die Rothe Ruhr. Septembris, den 13. ist dem Weibel von Büetigen ein 3jährig Mareyli begraben worden, das den Rothen Schaden gehabt.›› In der Kirchgemeinde starben mindestens 12 Personen an dieser Krankheit.

Auch Kinderkrankheiten, die heute kaum mehr Todesopfer fordern, rafften oft in kurzer Zeit ganze Reihen von Kindern dahin. So lassen sich Epidemien von Kinderblattern, Keuchhusten und Darmgichtern nachweisen, ganz besonders für die Zeit nach 1800, als die Pfarrer anfingen, die Todesursache einzutragen, wenn ihnen eine bekannt wurde. Da liest man etwa von «einem hitzigen Fieber», «an Abzehrung», «an Wassersucht», «Nervenfieber», «Brustkrankheit», «Auszehrung››, «Krebskrankheit», «Gallenfieber», «Blattern», «Keuchhusten», «Gichter.»

Eine Keuchhustenepidemie brachte das Jahr 1813. Schon am 7. Januar stirbt ein Kind am «Stickhusten» und dann folgen sich die Eintragungen mit «Brustkrankheit» und Keuchhusten Schlag auf Schlag. «Aprilis, den 5. starb Anna Dick, Hansens Kind von Büetigen, an einer Brustkrankheit und Gichtern, alt beynahe 5 Jahre. Aprilis, 17. starb Maria Dick, Hansens Kind von Büetigen, am Keuchhusten, alt 2 ½ Jahr. Juny, 30. starb Rosina Eggli, Davids von Büetigen, alt 10 Wochen, an Keuchhusterı. July, 5. starb Rosina Zingg, Samuels von hier, uneheliches Zwillingskind, zu Büetigen. July 18. starb Elisabeth Fink, Johannes, des Schuhmachers Kind von Büetigen, am Keuchhusten, alt 10 Monate. Ein schweres «Rötelnfieber››, bei einigen heisst es auch «Typhus», wütete im bösen Jahre 1818.

Der Totenrodel führt nämlich 48 Todesfälle an mit Beerdigung in Diessbach b.B. und zwei auswärts. Das ergibt 50 Todesfälle innerhalb Jahresfrist. Davon entfielen 40 auf Kinder im Alter von zehn Jahren und weniger, neunzehn von ihnen starben im Monat Dezember. Es muss eine furchtbare Zeit gewesen sein, unerträgliche Weihnachts- und Neujahrstage für zahlreiche Eltern, die ihr Liebstes hergeben mussten, und das neue Jahr 1819 brachte vorerst keine Besserung. Der Januar forderte 11 Opfer und immer noch lagen zahlreiche Kinder darnieder. Erst gegen das Winterende hin war die Kraft der Krankheit gebrochen. Rasch, wie sie angestiegen, nahm die Zahl der Todesfälle wieder ab.

Die Lage des Dorfes an der grossen Durchgangsstrasse brachte es mit sich, dass auch Durchzüger, wandernde Krämer, Pilger und Flüchtlinge auf Gemeindegebiet verunglückten oder erkrankten und starben.

Selbst Bettler auf der berüchtigten Bettelfuhr beendigten hier ihr unglückliches Leben. Drei Bespiele mögen das Gesagte illustrieren: «1699. Den Vertriebenen, so hier ernehret worden, ein Kind, welches auch hier gebohren und getauft worden. 1744, den 3. Januar ist Johann Friedrich Gysi, 33 Jahre alt, Burger von Basel, der den 29. Dezember 1743 in dem Lysswald under seinem Fuhr-Wagen übel Plessiert worden und den 1. Jan. 1744 darauf zu Büetigen gestorben, allhier begraben worden. 1801, den 10. Wintermonat starb zu Busswyl ein unbekannter Mann, der auf der Bettelfuhr den Tag zuvor daselbst anlangte. Er handelte mit Wurzeln und Pulvern, hatte ein altes Arzney Buch bei sich, in welchem aber sein Name nicht stand.» Dieser Bettler wurde am 12. Wintermonat abends um 5 Uhr begraben. Es kann ein Dorf nicht in der Nähe des Wassers liegen, ohne dass die Fluten ihren Zoll verlangen an Menschenleben.

Um unsere Ausführungen nicht zu lang werden zu lassen, sei nur ein einziger Unglücksfall zitiert: «1742, den 28. May sind vier Männer von Büetigen, da sie in einem Weidlig über die Aaren fahren wollten, um wydli zu ihrem Wannenmacher-Handwerk abzuhouen, elendiglich ertrunken, nämlich Bendicht Arn, Dursen Sohn, Bendicht Eggli, Heinrichs sel. Sohn, Niclaus Fink, Niclausen sel., Hans Arn, Dursen, und man hat sie am 9 ten Tag noch nicht gefunden.›› Diese vier Ertrunkenen hat man später doch noch gefunden und jeweilen nach Einholung der Bewilligung des Landvogtes von Bonstetten in Büren, auf dem Kirchhof zu Diessbach begraben: Hans Arn am 14. Juni, Niklaus Fink am 25. Juni, Bendicht Arn am 2. Juli und Bendicht Eggli am 17. Juli.