Die Kachelhefterin

Kachelgeschirr war ehedem etwas Kostbares, Teures und man schaffte erst neue Hafen und Schüsseln an, wenn der Kachelflicker oder Beckihefter sie nicht mehr reparieren konnte.

Zu Urgrossvaters Zeiten kostete ein Haft zwei Kreuzer. Der erste Kachelhefter, an den sich der Chronist erinnert, verlangte schon 5 Rappen dafür. Der Gasser aus Diessbach musste dann einen Batzen haben und das Loseneggermüetti, von dem hier berichtet wird, konnte in den letzten Jahren vor seinem Tode nicht mehr unter 15 Rappen arbeiten.

Den Niedergang und das völlige Verlöschen des «Kacheli-Doktor-Berufes» in unserer Gegend, machte ein altes Fraueli, eben das Loseneggermüetti, mit schwerem Herzen mit. Als «Chachelimaji» war es fast im ganzen Bürenamt und weit in das Bucheggbergische hinaus bekannt. Mit dem Gatten war es seinerzeit aus dem Guggisberg ins Seeland gekommen. Zuerst mit einem Karren, später mit Ross und Wagen, verhausierten die zwei Eheleute Rechen, Gabeln, Wannen und Körbe. Dazu betätigte sich die Frau als Kachelhefterin.

Nach dem Tode des Gatten mussten Ross und Wagen verkauft werden und das Müeti verhausierte Bürsten, Kellen, Kartoffelstössel, Kelleli, Wäscheklammern usw. Unterwegs heftete es Tag für Tag zerbrochene Hafen und Schüsseln zusammen.

Doch nun wollen wir ihr bei der Arbeit ein wenig über die Schultern gucken. Geheftet wurden meist nur grössere Stücke, die im Ankauf zu teuer gekommen wären. Es durften nicht allzuviele oder zu kleine Scherben sein, sonst wurde das Heften zu umständlich und namentlich zu teuer oder war gar aus technischen Gründen unmöglich. Werkzeuge waren nicht viele nötig. Hauptsache war eine ruhige, geschickte Hand und viel Geduld. Ein Flachzangli bekam man noch bald an einem Ort und auch der Eisendraht für die Haften musste gekauft werden. Den Kitt erwarb Frau Losenegger in der Drogerie.

Ihr Vater soll noch ein Geheimrezept besessen haben für die Herstellung eines ganz besonders dauerhaften Kittes. Leider hat er seiner Tochter die Zusammensetzung nie verraten undso ist das Rezept mit ihm ins Grab gegangen. Wahrscheinlich wird es sich um eine Mischung mit Harz gehandelt haben. Das Hauptwerkzeug war der Drillbohrer, den man sich selber anfertigen konnte. Ein gut 30cm langes, etwa 1 ½ cm dickes Hartholzstäbchen erhielt vorn ein Löchlein, in welches man den zurechtgefeilten stählernen Bohrer einkitten musste. Drei Finger breit weiter oben befestigte man ein ebenfalls harthölzernes Schwungrädchen, etwa von der Grösse eines Kaffeetellers. Als nächste Arbeit kam die Herstellung eines beweglichen Handgriffes, welcher aus einem Hartholzbrettchen ausgesägt werden musste. In der Mitte erhielt dieser Griff ein rundes Loch, durch Welches das Bohrerstäbchen als Achse geführt werden konnte, wobei nur eine sehr minime Reibung entstehen durfte. Mit andern Worten gesagt: Man musste mit dem Handgriff leicht über die Achseder Bohrmaschine hinauf und hinunter fahren können. Zum Schluss wurden die beiden Endendes Griffes und die oberste Stelle der Bohrerachse so mit einer Schnur verbunden, dass dieAuf- und Abbewegung des Hangriffes den Bohrer in kreisende Bewegung brachte.

Bei Frau Losenegger glitt die Rechte leicht und sicher auf und nieder, so dass sich der Bohrer im Nu durch die Glasur und tief in die Wandung frass. Damit die Geschirre innen auch weiterhin gut gewaschen werden konnten, wurden die Löcher für die Haften immer nur auf derAussenseite gebohrt, schön einige Millimeter vom Bruchrand entfernt, je zwei und zwei genau einander gegenüber. Der Draht für die Haften wurde doppelt genommen. Mit dem Flachzangli wurde er genau rechtwinklich abgebogen, nachdem sie sich von der Tiefe des Loches durch Nachmessen mit dem Drahtende überzeugt hatte. Das Schwierige war das genaue Ablängen der Klammer, denn nur wenn sie ganz satt in den Löchern sass, hielt sie die zuvor schwach mit Kitt bestrichenen Bruchflächen wirklich wasserdicht zusammen. Mit Kitt wurden die Haften noch in den Löchern gesichert und bald stand so eine schon verloren geglaubte Schüssel wieder gebrauchsfertig auf dem Tisch.