Der Ämmermehlmacher

Ammer, Ämmer oder Emmer ist eine Sommergetreideart, die man früher auch bei uns pflanzte. Man bezeichnete sie etwa auch als Sommerdinkel, Zweikorn oder lateinisch triticum dicoccum. Mundartlich brauchte man vielfach den Namen Amelkorn, welchem Ausdruck das lateinische arnyleum entspricht. Das daraus hergestellte Mehl wurde entsprechend Amelmehl genannt, woraus schon im 16.Jahrhundert Amelung wurde, entlehnt aus amylon = feinstes Mehl.

Das Ämmermehl wurde seinerzeit und vielleicht ganz vereinzelt auch heute noch zum Stärken weisser Herrenhemden, weisser Kragen und Trachtenhemden gebraucht. Noch für unsereGrossväter war es kein richtiger Sonntag, wenn die Brust nicht in einem hart gestärkten Hemdewie in einem mittelalterlichen Panzer steckte und ein steinharter, hoher Kragen den Halswund scheuerte.

Wer heute Ämmermehl verlangt, wird wohl meist mit Reisstärke bedient. Ehemals aber erhielt man wirklich ein Produkt aus Sommerdinkel. Man erzählt, viele Hausfrauen hätten es verstanden, selber das Ämmermehl aus den Kernen zu gewinnen. Wie das geschah, konnteniemand genau sagen. Hingegen hat man glaubwürdig dargetan, dass nach dem Aufkommen der Kartoffeln eine neue Art «Ammermehl» hergestellt worden sei. Ob die Kartoffelstärke dem früheren Produkt ebenbürtig oder gar überlegen gewesen sei, ist nicht zu beantworten.Vielleicht kam sie auch nur billiger zu stehen und wurde deshalb so viel hergestellt.

Jedenfalls äusserte Elisi in Gotthelfs «Ueli der Knecht», ernsthafte Zweifel. «Mit so Tüfelsdreck von Erdüpfeln wollte ein Elisi sich seine Mänteli nicht verderben lassen.» Aber es waren eben nicht alle Leute so zimperlich wie Elisi, deshalb konnte aus der Ämmermehlfabrikation aus Kartoffeln ein Beruf entstehen.

Wie viele andere Handwerke, wurde er im Umherziehen ausgeübt. Gewöhnlich im Spätherbst, wenn die Kartoffeln gegraben und die Arbeit in den Reben am Dotzigenberg beendet war, tauchte der kundige Mann im Dorfe auf, denn erst jetzt hatten die Frauen die nötige Musse und auch das Rohmaterial in bester Qualität zur Hand. Beim Obern Brunnen unter dem grossen Nussbaum wurde, geschützt vor Sonne und kleineren Regengüssen, die bescheidene Einrichtung aufgestellt.

Zuerst galt es, die Kartoffeln sauber, aber wirklich ganz sauber zu waschen. Hierauf wurden die gereinigten und geschälten Rohkartoffeln zerkleinert, gerieben. Das ging so flink, dass es nur so schäumte. Die eigentliche Kunst beim weitern Gang der Arbeit soll darin bestanden haben, die Stärke so auszuwaschen, dass kein, aber wirklich auch gar kein Schalenteilchen und ja kein Schmutz zur Stärke kam, sonst trat Braunfärbung ein.

Die Reinigung erfolgte in grossen Waschbottichen. Mehrmals hintereinander hiess es: Aufrühren, setzen lassen, Wasser abschütten Der Rückstand wurde dann getrocknet und hiess jetzt Ammermehl, trotzdem er nur aus Kartoffeln hergestellt worden war.