Der Wannenmacher


Die nachstehende Eintragung in einem der Totenrödel von Diessbach bringt uns einen weitern, im Dorfe längst ausgestorbenen Beruf in Erinnerung. «1742, den 28. May sind vier Männer von Büetigen, da sie in einem Weidlig über die Aare faxen wollten, um wydli zu ihrem Wannenmacher-Handwerk abzuhouen, elendiglich ertrunken.»


Es verwundert uns nicht, dass an einem Ort wo die nötigen Rohmaterialien, Weiden und Eschen, in jeder Menge vorhanden waren, sich die Wannenmacherei als Beruf ansiedelte. Um den Absatz hatten sich die Berufsleute wohl kaum zu beklagen, stellte die Wanne doch eine Art Mehrzweckgerät dar, das im Bauernhaus sozusagen jeden Tag gebraucht wurde, sei es zum Reinigen der geflegelten Körner, zum Tragen von Häckerlig und Grichel, zum Trocknen von Erbsen und Bohnen, zum Putzen der Heublumen usw. Die Wanne sieht etwa aus wie ein übergrosser, ganz niedriger Korb, dem eine Seitenwand fehlt oder wie eine riesige geflochtene Schaufel.


Gewissermassen das Gerippe der Wanne bilden die eschenen «Schienen››. Für sie braucht man gutes, an Bach und Sonne gewachsenes Eschenholz vom untern Stammende. Bei der Herstellung werden die 80 cm langen Rugel in Viertel und diese in noch kleinere Scheiter aufgespalten, Welche dann 1 ½ - 2 Stunden im Wasser gekocht werden müssen. Jetzt lassen sie sich mit Schindeleisen und Holzhammer weiter spalten und reissen, bis zuletzt beinahe spandünne, lange Brettchen daliegen, welche mit Hilfe des Zügmessers auf dem Zügstuhle zu weniger als 2mm dicken und 2-4 cm breiten «Schienen›» zurecht geschnitten werden. Schon während des Spaltens und Reissens werden sie in schmale und breite sortiert.

Für den Vorder- und Hinterbogen, d.h. für die festen Ränder, verwendet man Rottannenäste. Der grössere Hinterbogen verlangt einen Ast von 16 Spannen Länge. Auch die letzten Wannenmacher haben noch mit der Hand gemessen. Die Spanne wurde mit Daumen und Mittelfinger abgetragen. - Der Vorderbogen musste eine Armweite und zwei Spannen messen.
Die Griffe wurden aus jungen Weisstannenästen geformt. Damit das Holz sich leichter biegen liess, wurden die Äste für beide Bogen im Backofen erhitzt. Die Äste für die Handhaben wurden im Säuhafen gekocht und an einer speziellen Vorrichtung, welche meist auf der Aussenseite des einen Küchentürpfostens angebracht war, gekrümmt, mit einer Drahtschlaufe festgehalten und in der Werkstätte an einer langen Stange aufgereiht.
Die Weiden wurden gebündelt in der Werkstätte aufbewahrt. Sie mussten einen Tag vor der Verarbeitung ins Wasser getaucht und dann unter einem nassen Sack aufbewahrt werden.
Noch werden pro Wanne drei eschene Füsschen geschnitzt, dann endlich kann mit der eigentlichen Arbeit begonnen werden. Sechs breite kurze Schienen, kreuzweise geflochten, ergeben die Mitte des Bodens und werden «Schild» genannt. Der «Wann-Stuhl», ein auf zwei Leisten wenig über den Zimmerboden erhöhte: Brettergrund, bildet die Bühne, auf welcher die Entstehungsgeschichte der Wanne sich abspielt. In den «Schild» werden strahlenförmig die einzelnen Schienen hineingeschoben. Damit das leichter gehe, wird das bereits geflochtene mit dem Schnitzer ein wenig gehoben, worauf das zugespitzte Ende der Schiene mühelos eingeführt werden kann. Hierauf packt die Linke die Schiene und mit der Rechten werden einige Schläge auf die linke Hand getan, bis alles schön fest sitzt. Nach hinten und vorn komme: je eine, nach den beiden Seiten je zwei breitere Schienen, dazwischen die schmalen.

Nun endlich kann das Flechten richtig beginnen. Mitten in die Strahlensonne aus blendendweissen Schienen setzt sich der Wannenmacher auf sein kleines rundes Stühlchen, so zugleich der ganzen Arbeit den nötigen Halt gebend. Mit den kleinsten und dünnsten Weiden beginnt dasFlechten. «Wann-Eisen» heisst das Hauptwerkzeug, mit welchem jede Weide angeklopft wird.damit sie satt an die vorhergehende anschliesst.Der Rücken des Zeigefingers drückt beim Flech ten die Schienen jeweilen ein wenig hinunter.was zur Folge hat, dass der Wannenmacher am Zeigefinger harte Haut und «Knöden» bekommt wie ein Melker auf dem Daumen.

Zum Aufrichten des hintern Randes wird der Krummstuhl benützt, ein stuhlartiges, halbkreisförmiges Holzgebilde, fast wie eine halbe Radfelge aussehend, aber auf drei kurzen Beinen stehend. Jene Schienen, welche darüber zu liegen kommen, werden durch ihn abgebogen und stehen dann senkrecht zum Boden der Wanne. Ist das Geflecht weit genug gediehen so kann mit den gekrümmten Rottannenästen der Abschluss gemacht werden. Die Schienenenden werden zugespitzt, um den Ast gewickelt und unter das Geflecht zurückgeschoben. Diese Arbeit wird mit einem besonderen Werkzeug, dem Kropf-Eisen, erleichtert. Es lässt sich keilartig unter die geflochtenen Weiden schieben, so den Platz schaffend für das Schienenende. Dieses tritt 10 -12 cm weiter innen wieder zum Vorschein, so dass man es mit dem Wannklöbli packen und fest anziehen kann. Hierauf schneidet der Schnitzer das vorstehende Ende ab.

In wenigen Arbeitsgängen ist jetzt die Wanne fertig. Es gilt bloss noch, die unten widerhakenartig zugeschnittenen Griffe oder Handhaben einzuschieben und die drei Füsschen zu befestigen. Ganz zuletzt werden mit dem Schnitzer alle Weidenenden, welche ohne Ausnahme auf der Unterseite liegen, sauber abgeschnitten, dann ist das Werk beendet.

Ein guter Berufsmann stellte pro Jahr rund 150 Wannen her. Für den Verkauf wurden sie öfters selbst nach Bern getragen. Eine Frau trug 3 Wannen am ersten Tag bis Münchenbuchsee, stellte sie dort ein, kehrte nach Büetigen zurück, trug sie anderntags bis Bern und kehrte nachher noch zu Fuss wieder heim.