Die Lehensmühle
es handelt sich um eine Lehensmühle des Klosters Bellelay. Allerdings gab es in Lengnau mit Sicherheit schon im 17. Jahrhundert zwei Mühlen, denn im Chorgerichtsmanual aus dieser
Zeit ist mehrmals von «des oberen Müllers Knecht» und «des unteren Müllers Knecht» die Rede. Entsprechend dem Wasserlauf der Dorfbäche von der Oele bis zur Leugenen müsste also die Mühle an der Oelestrasse die «obere» gewesen sein und diejenige am Mühleweg die «untere», von welcher hier die Rede ist. Diese Mühle war im Besitze des Klosters Bellelay, das heisst, Abt und Konvent des Klosters Bellelay waren die Lehensherren, welche die Mühlenbesitzung als Erblehen dem Empfänger des Lehens gegen die Leistung verschiedener, im Lehensbrief genau umschriebener Abgaben und Verpflichtungen zur Bewirtschaftung überliessen. Dieses Lehen übertrug sich zu den gleichen Bedingungen auf die Erben des «Mannes Stammes››. Der Lehenempfänger verpflichtete sich, das Heimwesen stets in gutem Zustand zu erhalten, nichts ohne Wissen und Willen der Lehensherren zu verkaufen, zu versetzen oder zu veräussern. Auch waren er und seine Erben verpflichtet, das Mahlgut der Kunden «wohl und treuwlich» zu mahlen gegen den üblichen Lohn. Sollte er sich in etwas schuldig machen, so würde er sein Recht auf das Lehen verwirken. An Bodenzinsen hatte der Lehensempfänger jährlich auf Martini (11. November) dem Schaffner in der Stadt Biel «in den Kasten zu messen:
«Sächs Viertel und vier Määs Mülinkorn», halb «Kärnen oder Weizen» und halb «sauberen Roggen». Dazu «zwei währschafte Mülischwein» oder drei Pfund Pfennige Berner Währung.
(Ein Mütt = 12 Määs zu etwa 14 Liter = 168 Liter, 1 Viertel = 8 Määs = 112,08 Liter; 6 Viertel = 48 Määs = 672,48 Liter. 1 Pfund Pfennige waren 20 Schillinge oder 240 Pfennige. Das Pfund als Währung war keine geprägte Münze.)
Nun zum Lehensbrief. Bei dieser Wiedergabe handelt es sich um eine beglaubigte Abschrift aus dem Staatsarchiv Bern, wo das Original aufbewahrt wird. Der erste Teil bedeutet eine Bereinigung anno 1769 und die Randnotiz die Aufhebung am 14. November 1833. Der eigentliche Lehensbrief datiert vom 13. Oktober 1666 und lautet wie folgt:
«Wir von Gottes Gnaden Johann Georg Apt und Convent des Gotteshusses zu Bellelay Praemontrantenser Ordens des Bisthumb Basel; thun kund, aller mäniglich und bekennend offenlich mit diesem Brief: dass wir für uns und unsere Nachkommen wüssend und wohlbedacht, gelychen und verlychen habend, lychen und verlychen, auch also Recht und Redlich in Kraft dis Briefs zu einem stähten, beständigen und immer blühenden Erb und Erblächen dem bescheidenen Hans Hammer, Burger und wohnhaft zu Langendorf Solothurner Herrschaft, für ihn und seine Erben Manns Stammes; Mit Nammen unser Müli und Mülyg”schirr sampt der Scheurung, Kraut- und Baumgarten, alles aneinander in einem Bezirk daselbsten zu Längenauw, in der Grafschaft Büren gelegen, der Kirchweg ist davon Byssen und auch Bergshalb Ludweg Ruesplig, Windshalb und der alte Besitzer selbst Sonnenhalb. Und diss alles mit Wasser und Wasser Nutzen, Rederen, Mylinsteinen, Wur und Wasserleijtungen, und sonsten, mit allen anderen ingebäuet Rechtsamen und Zugehört wie dann diss von Hans Ritzen von Lengnau kaufsweis (aus unserem Willen Verhängen und Zulassen) auf ihn kommen und erwachsen ist, und das mit disen nachfolgenden heiteren Conditionen und Bedingen: dass er dieselbe sampt aller Zugehörd, in gutem gewohnlichen und Wäsentlichen Bau und Ehren, in Tach und Gemach, Wasserrüntzen, Känlen, Rederen, Kästen, sampt und sonders dergestalten erhalten, und haben sollen, dass Ihm und seinen männlichen Erben, wie auch Uns und unseren Nachkommen zu Nutz und Benügung gereichen möge, auch dieselbe ohne unseren Gunsten, Wüssen und Willen weder verkaufen, versetzen, verändern, zertrennen noch einicherlei Gestalten beschwären noch beladen, bei Verwürkung dis Lechens; davon solle Er und seine männlichen Erben Uns den Lechenherren zu rechtem ehwigen unablösslichem Bodenzinse jährlichen auf Martini ausrichten, und in die Stadt Biel zu unseren daselbst habenden Haus und Hof wären und in gutem suberen wohlgeläutretem Korn, in ihren eigenen Kosten ohne unseren Entgeldnis unserem Schaffner in Kasten einmessen: Namlich Sächs Viertel und Vier Määs Mülinkorn, so also zu verstehen ist, den halbigen Teil in Kärnen oder Waizen und der andere halbe Teil in sauberem Roggen und zu dem Zwey währschafte Mülischwein oder aber dafür Drey Pfund Pfennigen Bernerwährung nach unserem Belieben; Und seine Erben sollen auch schuldig und pflichtig seyn jedermänniglich Ihr Getreid, was sie ihm zu bringen wohl und treuwlich zu mahlen, und über gewöhnliche alte Belohnung weiters nicht beschweren, sondern unklagbar halten; wie gleichfalls, so oft und dick sich die Hand, seye gleich auf der Herren Aepten oder Lächenleuten Seiten, veränderen wurde, dis Lächen sampt aller Zugehörd innert den nechsten Sächs Wochen dieser Veränderung, von uns wiederumo entpfachen und für den Reprise und Ehrschatz in baarem Geld ausrichten söllen, Sieben Pfund Bernerwährung; wofehr aber sy an diesem Allem oder an einem sonderbar wie vorstaht sümig oder sy sonsten die Mülin, Scheuren, Kraut- und Baumgarten mit aller Zugehörd, an Geschirren, Tach und Gemach nicht Ehren erhielten, sonder bauwlos und in Abgang kamen und sölliches kundlich und offenbar würde, dass dann dis alles sampt und sonders uns und unseren Nachkommen, ohne einiche Ersatzung, Hindernuss und lnred aller männiglichs, frey wiederumb heimgefallen seyn solle, damit fürbas nach unserem Gefallen zu handlen. Wann aber der Empfaher und seine Mannserben allem dem was eben angezogen, treulich nachsetzen und styf halten werden: Wir Lehenherren sie von diesem Lächen nicht verstosen, sonder darbei unabtriebenlich blyben und wie Lächenherren geziemt schützen und schirmen Wollen.
Mit Hinsetzung und Vernichtigung aller älteren Briefen, so vor dato aufgericht und dies Lächen berüeren möchten und zu Vergwisserung aller der Punkten und Articuln obstaht, soll uns des Empfachers Hab und Guht verpflichtet seyn und in allen zutragenden Fählen der Versäumniss obigen und underschidenlichen Bedingen daruss zu entledigen; Alles aufrecht getreulich und ungefährlich. In Kraft dis Briefs, der des zu Urkund, mit unser Apt und Convent anhangende Secret Insiegel verwahrt, und gäben in unserem Gotteshaus Bellelay den dreyzehenden Tag Octobris, als man Christi Gebuhrt zahlt, thansend Sechshundert sächs und Sächzig Jahr. 1666.»
Im letzten Absatz heisst es, dass mit diesem Brief alle älteren Briefe kraftlos erklärt werden. Wir wissen also nur, dass die Mühle schon vor 1666 bestanden hat. Noch sieht man an der Wand gegen das Quellgässli die Stelle, wo sich das Wasserrad einst drehte. In den dreissiger Jahren (um 1934) wurde die Mühle elektrifiziert, aber 1952 stillgelegt.