Unregelmässige Amtsführung

1485 rügte der Schultheiss von Bern den unordentlichen Haushalt der Nidauer und den schlechten Unterhalt der Stadtbefestigung: «Wiewohl Wir eüeh das Umbgelt und ander zufähl haben nachgelassen, auss dem grund, dass uuss dem gelössten gelt eüwer Statt solt gebessret und Thurm, Mauren und Thoren in gutem buuw und Ehrlichen wesen erhalten werden, So sehen wir doch, dass solches nicht beschicht, sonder dass unser und eüwer Statt gelieh einem dorff gesehetzt (!), zu dem so werden von sollichem Umbgelt und anderen eüweren Ambthaberen dheim oder gar schlecht rechnungen auffgenommen, also dass Wir nit wohl mögen wüssen, wohin eüwer nutz verwendet werden, das Uns an eüch wahrlich befrömdet, um so viel mehr, so Wir betrachten, dass Wir euch allzeit gnad haben erzeigt, und eüwer Statt nach allem unserem Vermögen jetz kürtzlichen nicht wenig gebessret, und dieweil Uns als eüwer obristen herrschaft Je gebührt mit fuegen darzu zeachten, besonders dass mit nützlicher anlegung solichs gelts eüwer Statt ein ohrt Schloss Unsers Landts gebauwen, und in stattlich ehren gesetzt ward, so haben Wir ein ordnung gar wohl berahten angesehen, die Wir eüch harin Versehlossen zusenden und euch by eüweren pfliehten gebieten zu halten, und die also in eüwer Rödel zu schreiben, dass Wir wollen, dass der zu ewigen Zeiten, biss aufl unser widerrufen, an alle fürwort nachkommen, und durch unsere Vögt, die Wir euch zu Zeiten geben werden, auch - euch zu halten geschworen werd, darnach wüssen eüch zu richten.››

Die für den Gemeindeunterhalt bestimmten Abgaben scheinen nicht sehr zuverlässig eingezogen worden zu sein oder fanden nicht immer die gewünschte Verwendung, wie aus obenstehendem Missiv zu ersehen ist. Schwierigkeiten mit der Ordnung ihrer Finanzen hatte die Gemeinde Nidau auch später wieder. Der Stadthaushalt war recht unübersichtlich, die Verwalter und Sekelmeister legten nicht alle mit der gleichen Zuverlässigkeit ihre Rechnungen ab.

Einen grösseren Skandal, bei dem die Obrigkeit eingreifen musste, löste Emanuel Funk in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts aus. Er war gleichzeitig Sekelmeister der Einwohnergemeinde und der Burgergemeinde, Verwalter des burgerlichen Gesellschaftsgutes, des Spitalamts und des Kirchenguts, legte aber von 1841 bis 1844 nie eine Rechnung vor. Funk behauptete dann 1844, er habe bereits seit einiger Zeit keine öffentlichen Gelder mehr zur Verfügung und bezahle die Lehrer und Beamten aus eigenem Sack. Die Stadt verweigerte ihm einen Kredit, da man zuerst die Rechnungen prüfen wollte. Da keine Einigung zustande kam, und der Sekelmeister die Bezahlung der ausstehenden Löhne verweigerte, gelangte die Stadtverwaltung an den Regierungsstatthalter:

«(. . .) Es ist wahrlich hoch an der Zeit, und die Behörden sind durch diese beharrliche Weigerung des Herrn Funk, seine Pflichten ferner zu erfüllen, vollständig gelähmt, und können daher die Verwaltung des Gemeindwesens nicht auf diejenige Weise besorgen, wie es in ihrer Pflicht läge, weil sämtliche Einnahmequellen der Gemeinde, mit Ausnahme des Armengutes, in den Händen des Herrn Funk liegen, und niemand darüber verfügen kann, als er.»

Der unzuverlässige Sekelmeister - ein Bruder des damaligen Regierungsratspräsidenten Alexander Ludwig Funk - machte sich dann 1847 heimlich aus dem Staub. Die Einwohnergemeinde erlangte vom Regierungstatthalter die Erlaubnis, für die nie vorgelegten Abrechnungen dessen Vermögen zu konfiszieren.

Zu Auseinandersetzungen wegen eines «allmächtigen›› Gemeindekassiers kam es erneut in den 1920er Jahren: 1925 hätte der damalige Kassier, seit 26 Jahren im Amt und von 1909 bis 1922 auch noch Gemeindeschreiber, das Kassabuch abliefern sollen - dabei stellte sich heraus, dass er gar keines geführt hatte. Die verhängnisvolle Ämterkumulation und die daraus resultierende Überforderung des Chefbeamten war durch Artikel 64 des Organisationsreglements von 1896 erst möglich geworden, der besagte: «Das Amt des Gemeindekassiers kann mit der Gemeindeschreiberei vereinigt werden.»

Die ganze Angelegenheit wurde zu einem politischen Machtkampf, da der fehlbare Kassier langjähriges SP-Mitglied und zeitweilen sogar deren Präsident gewesen war. Aus Protest gegen das«Bürgerliche Misstrauensvotum» wurde das Budget 1924 von der SP zur Verwerfung empfohlen. MitErfolg, in der Volksabstimmung wurde es zweimal abgelehnt. 1926 folgte ein neuer Gemeindeschreiber, der auch bald den Ruf eines «alles befehlenden Gemeindedirektors» hatte. Er wurde 1943 wegen Veruntreuung von Gemeindegeldern und Nahrungsmitteln für die Armee angeklagt und für schuldig befunden. Die Unregelmässigkeiten in der Geschäftsführung der Gemeinde Nidau veranlasste den Regierungsrat zu einer amtlichen Untersuchung der gesamten Gemeindeverwaltung. Mit der Entgegennahme verschiedener kleinerer Rügen und der Übernahme der Kosten für die amtliche Untersuchung beschlossen die Behörden von Nidau in der Stadtratssitzung vom 4. Juli 1946 «unter die leidige Sache, die Hass und Zwietracht säte, einen Schlussstrich zu ziehen und sich produktiveren und wertvolleren Aufgaben zuzuwenden.»