GEWERBE, HANDEL UND VERKEHR
Eine «gute alte Zeit» hat es in Wirklichkeit nicht gegeben. Von seinem Großvater her, der als Schulbub Bernbote war, wußte ein vor wenigen Jahren verstorbener Erlacher etwa von der Hungersnot 1816/17 zu erzählen. Nach dem Durchzug der kaiserlichen Heere herrschte große Not; der beste Bauer hatte kaum einen halben Weinzuber Kartoffeln; Getreide und Obst fehlten vollständig, auf offener Straße zankte und schlug man sich um einen Laib Brot.
Der Regierungsstatthalter mußte 1832 gegen den täglich mehr überhandnehmenden Haus- und Straßenbettel einschreiten. Die Umschichtung aller Ordnungen hatte damals bereits eingesetzt: Neuenburger Fabriken lockten die Jungmannschaft an, Uhrenindustrie zog in die Häuser ein, für den Rebbau kamen ausgesprochen schlechte Zeiten. Unter 59 zu den Wahlen zugelassenen Erlachern werden 1803 angeführt: 19 Bauern und Rebleute, 4 Küfer, je 2 Notare, Wirte, Schmiede, Schuhmacher, Gerber, Färber, Steinhauer und Maurer, Metzger, je 1 Arzt, Advokat, Tischmacher, Hafner, Kaminfeger, Bäcker, Schlosser, Weber, Wollenspinner, Schneider, Sattler, Barbier, Schiffmann, Büchsenmacher und der Bernbot.
Im 17./ 18. Jahrhundert kommen auch Zimmerleute, Glaser, Wagner, Nagelschmiede, Buchbinder und Uhrenmacher vor. Es erweist sich eine ebenmäßige Ausstattung der Kleinstadt. Zimmermann Johann Jakob Rägis (1725-1797) war der Urgroßvater Gottfried Kellers.
Im nördlichen Lochhause befand sich seit dem 17. Jahrhundert eine Gerberei. Öfen von Erlacher Hafnern lassen sich im Neuenburgischen sicher nachweisen. Peter Imer von Neuenstadt erhielt 1658 die Bewilligung, «hinter der Allmend von Erlach und etwas hieher St. Johannsen» eine Ziegelei einzurichten, die bis 1818 in seiner Familie verblieb und erst in jüngster Zeit stillgelegt wurde. Mühlen standen außerhalb des Stadtbezirks, zwei in Mullen und die Klostermühle links an der Straße nach Gals beim Neuhaus. Die alte Ölereieinrichtung in der Schleiffi ist teilweise überliefert. Für Schal und Ofenhäuser ernannte der Rat Stadtmetzger und Stadtpfister. Sämtliche Handwerker waren zugleich Kleinbauern mit eigenem Wies- und Ackerland, einer Beunde etwa, Baumgarten und Reben (Güterverzeichnis 184.9). Stiere wurden als Saumtiere gehalten, die Schiffstransporte boten Haupt- oder Nebenerwerb.
Der Mittwoch war während Jahrhunderten Erlachs Markttag. Der Markt bildete das Hauptprivileg der Handfeste, er machte das Städtchen auch zum wirtschaftlichen Zentrum der Grafschaft. Im obrigkeitlichen Kornhaus, dem heutigen Schulhaus, unterhielt die Stadt vier gewölbte, noch jetzt erkennbare Ladenlokale. Die Ladenzinsrödel des 18. Jahrhunderts zeigen einen lebhaften Wechsel von einheimischen und auswärtigen Schneidern, Schuhmachern, Hutmachern, Hafnern, Krämern, Kupferschmieden, Färbern, Sattlern, Glasern. Ferner gab es den Salzladen, Käsladen, Geschirrmarkt, Rindermarkt und die Fischbank am unteren Märitwegli. Der Kornexport nach Neuenburg und Neuenstadt war der wichtigste Handelszweig, auf den die Grafschaft großen Wert legte. Um 1800 schrieben sich für die Jahrmärkte gegen 70 Stände ein; Schausteller aus dem Waadtland, dem Aargau und dem Solothurnischen waren keine Seltenheit.
Für die Wochenmärkte bestand bereits um 1810 kein Bedürfnis mehr. 1830 hielt man noch 4 Jahrmärkte ab, zu Beginn unseres Jahrhunderts nur mehr einen oder zwei. Erlachs Verkehrslage erlitt in den Jahren von 1835 bis 1860 drei Einbußen: das Nordufer erhielt erstmals eine richtige Fahrstraße; Dampfschiffunternehmungen versuchten, die uralte Handelsroute Yverdon - Nidau - Solothurn dem Wasserwege zu erhalten, ohne Erlach zu bedienen; die Eröffnung der Eisenbahn Biel - Neuenburg bevorzugte die direkte Jurafußlinie. Die Dampfschiffverbindung mit Neuenstadt wurde dringendes Erfordernis. Eine in Erlach gegründete Gesellschaft ließ 1887 den kajütenlosen Dampfer «Union» von Stapel, 1889 als zweite Einheit den älteren «J. J. Rousseau».
Einspänner besorgten den Postdienst nach Ins und rund um den Jolimont. Seit 1854 verkehrte die Bern-Neuenburg-Post über Erlach, wo man jeweils die Pferde wechselte. Projekte im Rahmen eines Netzes seeländischer Lokalbahnen zerschlugen sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges. 1918 nahm ein Postauto den Verkehr nach Ins auf. Knapp drei Generationen liegen die Bestimmungen des Polizeireglementes von 1893 zurück, die uns aus einer anderen Welt zu stammen scheinen:
im Städtchen darf «nicht rascher geritten oder gefahren werden als in kurzem Trab; an den Orten, wo durch Anschlag ausdrücklich ,Im Schritt fahren' vorgeschrieben ist, soll ausschließlich letztere Gangart eingehalten werden». «Über Tag ist unnötiges und zur Nachtzeit jedes Peitschenknallen in der Ortschaft untersagt»