Biel unter den Bischöfen von Basel und seine Beziehungen zur Eidgenossenschaft

Auf kleinstem Raum finden wir in dem südlich an den Jurafuß sich anlehnenden Gebiet des Bielersees und dessen Zu- und Abflüssen, der Zihl, der Aare und der Schüß nicht weniger als 7 mittelalterliche Stadtgründungen. Ihre Zahl und gegenseitige Nähe verraten auf den ersten Blick, daß sie nicht als in einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet zentral gelegene Marktorte oder als Etappenorte an wichtigen Handelsstraßen erbaut worden sind, sondern daß der Wahl ihrer Standorte ausschließlich strategische und fortifikatorische Erwägungen zugrunde lagen. Alle diese Städte, Erlach, Nidau, Biel, Büren, Aarberg, Le Landeron und Neuenstadt sind als militärische Stützpunkte in jenen Zeiten entstanden, da die Grafen von Neuenburg, eingeengt einerseits zwischen den Gebieten der Grafen von Savoyen, die ihre Macht stets tiefer in die Waadt ausdehnten, und andererseits dem Territorium der kiburgischen Hausmacht, dieser Bedrohung dadurch zu entgehen suchten, daß sie eine Erweiterung ihres Gebietes auf Kosten des angrenzenden Bistums Basel ins Auge faßten.

Nach der Teilung des Grafenhauses von Neuenburg unter die Brüder Ulrich III. (1182 - 1225) und Rudolf II. (1182 - 1196) in die Linien von Arconciel und Neuenburg teilte sich die Linie Arconciel weiterhin in die Seitenlinien von Nidau, Straßberg und Aarberg-Valangin. Diese jüngsten Vertreter neuenburgischer Abstammung errichteten auf ihren Außenposten als Grenzwächter des neuenburgischen Territoriums neue Burgen, unter deren Schutz im Seeland die Städte Nidau, Aarberg und Büren entstanden.

Die Bischöfe von Basel sahen diesem Ausbau der neuenburgischen Grenzgebiete nicht tatenlos zu, sondern trafen auch ihrerseits die notwendigen Gegemnaßnahmen. Hoch über der Schlucht des Ruisseau de Vaux, auf der äußersten Felsenzinne ihrer Landesgrenze erbauten sie den wehrhaften Schloßberg, und als die Grafen von Neuenburg mit der Gründung der Stadt Le Landeron antworteten, errichteten sie am Fuße des Schloßberges als Querriegel zwischen Jurahang und Bielersee die Stadt Neuenstadt, die hier im Engpaß den Zugang zum Bistum wehrhaft abschloß. Als die Grafen von Neuenburg in den letzten Jahren des 12. Jahrhunderts am Ausfluß der Zihl aus dem Bielersee das mächtige Schloß Nidau erbauten, schickte sich der Bischof von Basel an, am Fuße der vordersten Jurakette, vom freien Feld gegen Nidau durch die Schüß abgetrennt, die Stadt Biel zu errichten.

Diese von der Burg der Freiherren von Biel überhöhte Stadtanlage beherrschte nicht nur die weite Ebene gegen Nidau zu, sondern bewachte auch den offenen Zugang zu der alten, noch aus der Römerzeit stammenden Straße, welche durch den Jura nach Basel und in einer Abzweigung auch nach der Freigrafschaft führte.

Die politischen Aspekte, unter denen die bischöfliche Stadt Biel in die Geschichte eintrat, waren von Anfang an recht vielversprechend. In klarer Erkenntnis der politischen Konstellationen suchte die junge Stadtgemeinde schon frühe Beziehungen mit der benachbarten Stadt Bern anzuknüpfen, die 1279 im Abschluß eines Bündnisses zum Ausdruck kamen, das die Vorstufe zu dem 1352 zwischen den beiden Städten abgeschlossenen ewigen Bündnis bilden sollte. Das zeitlich befristete Bündnis mit Freiburg vom Jahre 1311 wurde 1344 und dasjenige mit Solothurn von 1334 im Jahre 1382 durch die Aufnahme der Ewigkeitsklausel gefestigt. Schon 1318 hatten sich die Städte Freiburg, Bern,

Solothurn, Murten und Biel gegenseitig auf 5 Jahre zur Handhabung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auf 5 Jahre verbündet, was den Bielern Veranlassung gab, 1342 auch mit Murten ein Bündnis zu schließen, das noch vor Ablauf der vorgesehenen Frist auf ewige Zeiten verlängert wurde. 1395 ging Biel nach Abschluß langer Fehden ein Bündnis mit Neuenstadt ein, dem 1406 mit Rücksicht auf die Wahrung ihres halben Mannschaftsrechtes in den Seegemeinden Ligerz und Twann ein Bündnis mit der Gemeinde Ligerz folgte.

Es muß als ein Zeichen wachsender Bedeutung Biels angesehen werden, wenn auch der benachbarte Adel sich mit der jungen Stadt Verbündete. So schlossen 1342 Graf Rudolf von Neuenburg und sein Sohn Ludwig ein Burgrecht mit Biel, im folgenden Jahre die Gräfin Verena von Nidau, 1350 Graf Rudolf von Neuenburg, Herr zu Nidau, und 1356 ging Wilhelm von Grandson, Ritter und Herr zu Ste-Croix, mit der Stadt Biel ein Bündnis auf 10 Jahre ein. Die Bündnisse mit dem neuenburgischen Grafenhaus fanden 1403 ihren Abschluß mit einem solchen, das mit dem Grafen Wilhelm von Aarberg, Herrn zu Valangin, geschlossen wurde.

Unter den Klöstern waren es besonders diejenigen, welche in Biel und im Seeland Grundbesitz hatten, die Gewicht darauf legten, mit der Stadt Bündnisse abzuschließen. Als solche sind zu erwähnen: 1251 das Kloster Frienisberg, 1335 Propst und Kapitel von St. Immer, 1342 die Abtei Münster-Granfelden, 1342 Abt und Konvent von Trub, 1353 das Benediktinerkloster St. Johannsen bei Erlach, 1381 das Kloster Gottstatt. 1490 erneuerte der Abt von Bellelay ein bereits in früherer Zeit eingegangenes Bündnis mit Biel, das 1516 unter dem aus Biel stammenden Abt Niklaus Schnell zu einem ewigen Bündnis erweitert wurde.

Die ewigen Bündnisse Biels mit Bern, Freiburg und Solothurn, die Teilnahme Biels an den bernischen Kriegszügen seit der Schlacht am Donnerbühl und an den eidgenössischen seit Sempach führten zur Aufnahme Biels als zugewandten Ort und nährte die Hoffnung, als vollberechtigtes Glied dereinst in den Bund der Eidgenossen aufgenommen zu werden. Wohl wurden die Bieler seit den Burgunderkriegen, an denen sie namhaft teilgenommen hatten, in den eidgenössischen Missiven als «getreue und liebe Eidgenossen» angesprochen, allein im Versuch, durch Vermittlung von Luzern und den Waldstätten als selbständiger Ort in den Bund aufgenommen zu werden, erwies sich 1497 als entmutigender Mißerfolg, dessen Grund in erster Linie in der trotz des Bannerrechtes über das Erguel (St. Immertal) zu geringen militärischen Bedeutung zu suchen ist. Biels Zugehörigkeit als zugewandter Ort stand in staatsrechtlicher Beziehung auf recht unsicherem Boden. Seit 1477, kaum daß die burgundische Gefahr gebannt war, wurde Biel nicht mehr zu den Tagsatzungen eingeladen und wird auch in den eidgenössischen Staatsverträgen, außer in denen mit Papst Leo X. vom Jahr 1514 und mit dem französischen König Franz I. im Jahr 1521, weder angeführt noch als Mitkontrahent verzeichnet. Die entschiedene Stellungnahme Biels für die Reformation brachte die Bieler wenigstens wieder in engere Beziehungen zu den reformierten Orten und damit auch die Einladung zu den Sondertagsatzungen der Reformierten.

Die Hilfe, welche Biel den Bernern gegen den Aufstand im Oberland leistete, hatte zur Folge, daß Bern mit Erfolg sich für die Aufnahme Biels ins Christliche Burgrecht einsetzte. Da Biel in seinen Bündnissen mit Freiburg und Solothurn die Verpflichtungen Bern gegenüber vorbehalten hatte, lag den Bernern daran, Biel gegenüber als eigentlicher Schutzherr aufzutreten, aber nur so lange, als diese Stellungnahme sich mit seinen eigenen Interessen vertrug. Indem Bern mehrfach Gelegenheit hatte, in den vielen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Biel und dem Bischof von Basel die Rolle eines Vermittlers zu spielen, erhielt es willkommenen Einblick in das wenig erbauliche Verhältnis, das zwischen Biel und dem bischöflichen Landesherrn bestand.

Daß Bern in seiner Rolle als Schutzherr der Rechte Biels seine Interessen den freundeidgenössischen Beziehungen zu Biel voranstellte, kam im sogenannten Bieler Tauschhandel in den Jahren 1594-1608 mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Damals saß Christoph von Blarer als eifriger Vertreter der gegenreformatorischen Bewegung auf dem Basler Bischofstuhl. Ohne die Bieler, um deren Schicksal es sich doch handelte, davon in Kenntnis zu setzen, schlug er den Bernern vor, ihnen gegen Verzicht auf ihr Burgrecht mit dem Münstertal im bischöflichen Jura die Stadt Biel abzutreten und ihnen dazu noch eine bedeutende Geldsumme zu entrichten. Daß der Bischof zu einem solchen Abtausch Hand bot und sich als Initiant dieses Projektes erwies, war den Bielern keine Enttäuschung, wohl aber die Tatsache, daß das mit ihnen verbündete Bern hinter ihrem Rücken seine eigenen Interessen verfocht, während das ebenfalls auf ewig mit Biel Verbündete Solothurn im Verlaufe dieses langen Streithandels sogar mit den Erguelern, die doch zum Bannergebiet Biels gehörten, ein Bündnis abschloß, das allerdings auf die Beschwerde der Bieler von der Tagsatzung wiederum aufgehoben und als nichtig erklärt wurde. Durch Jahre hindurch hatte sich die Tagsatzung mit diesem widerwärtigen Handel zu befassen, und wenn er nicht zur Ausführung kam, so lag der Grund einzig in der Tatsache, daß Bern und der Bischof bei ihren Verhandlungen auf Schwierigkeiten stießen, denen sie nicht Herr wurden. Scheinbar blieb zunächst alles beim Alten, aber die Bieler waren um die Erkenntnis reicher geworden, wie problematisch Bündnisse sein konnten, für die sie im Verlaufe von drei Jahrhunderten in den gemeinsamen Kriegszügen namhafte Blutopfer gebracht hatten. Da sie in ihrem politischen Ansehen sichtlich geschwächt waren, konnte ihnen der Bischof 1606 einen Vertragaufzwingen, der alle ihre bisherigen Hoheitsrechte im Erguel mit Ausnahme des Bannerrechtes ihm zusprach und der auch in Justizsachen ihre bisherigen Rechte weitgehend schmälerte. Dieser Vertrag war jedoch nur eine Vorstufe desjenigen, welcher 1610 von der Tagsatzung in Baden aufgestellt wurde, und der die Rechtsverhältnisse zwischen dem Bischof und der Stadt Biel endgültig regelte. Dieser Badener Vertrag hat die beschränkten bischöflichen Hoheitsrechte über Biel bedeutend erweitert, und selbst die ihm noch zugestandene militärische Hoheit über das Erguel sollte sich durch die Gegenwirkung der bischöflichen Amtsleute dieses Tales in der Folge noch als sehr illusorisch erweisen. Dies zeigte sich in auffallender Weise im 1. Villmergerkrieg, als sich die Bieler veranlaßt sahen, unter der bischöflichen Drohung ihre bereits ausgerückte Mannschaft wiederum aus dem Felde zurückzurufen. Der Vertrag von Baden erwies sich als eine Quelle steten Haders zwischender Stadt und dem Bischof, so daß die ewigen Kompetenzstreitigkeiten mit ihren wenig erfreulichen Nebenerscheinungen der Stadtgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts den Stempel aufdrücken. So mag es fast als eine Ironie erscheinen, daß der Bischof von Basel nach Ausbruch der Revolution in Pruntrut am 30.April 1792 in Biel Zuflucht suchte mit seinem Hof, und zwar in seinem Hause an der Obergasse. Aber die Ereignisse im Jura überstürzten sich, weshalb der Bischof anfangs Dezember seinen Wohnsitz in Biel aufgab und nach Konstanz flüchtete. Zwei Monate später, am 2. Februar 1798, wurde auch Biel von den Franzosen besetzt, und nachdem diese sich die Aarelinie gesichert hatten, setzten sie mit ihrem Vormarsch gegen Bern ein. Biel wurde infolge seiner Zugehörigkeit zumBistum Basel mit diesem Frankreich zugeteilt und blieb französisch, bis der Wienerkongreß die Stadt und ihr Gebiet mitsamt dem Jura dem Kanton Bern zusprach.