Aus den vergangenen 100 Jahren
Von der Anhöhe am Südrand des Jolimonts beim Känzeli lässt sich annähernd der ganze Gemeindebann von Gampelen überblicken, Teilweise noch im Hang und darunter längs dessen Fuss. liegt der Kern der Dorfsiedlung. Daran anschliessend breitet sich die weite Ebene bis zum Neuenburgersee aus. Dessen Strand dem Beschauer durch den ausgedehnten Fanelwald verdeckt wird. Das Gemeindegebiet ist Östlich begrenzt durch den Rimmerzbach und den lslerenwald und streift alsdann den Lindenhof von Witzwil, um von da bei der Broyemündung an den See zu gelangen. Auf der Westseite zum Kanton Neuenburg hin verläuft die Grenze im Zihlkanal. Als einzige bernische Gemeinde hat Gampelen Uferanstoss an den Neuenburgersee, der in seinem untersten Teil einen äusserst flachen Strand aufweist. welcher sich in einer tiefgelegenen Landfläche bis nahe zum Jolimont hinzieht.
Die wenigsten hiesigen Bewohner und insbesondere die heutige Generation sind sich bewusst. welch grundlegende Veränderung unser Gemeindegebiet im letzten Jahrhundert erfahren hat. Zu jener Zeit nämlich reichte der See bei Hochwasser stellenweise bis an den damaligen Dorfrand. Nicht weniger als zwei Drittel des Gemeindeareals bestanden aus Öd- und Sumpfgebieten. die. soweit überhaupt nutzbar. nur als schlechte Weide und gelegentlich zum Einbringen von etwas minderwertigem Heu oder Streue dienten.
Als weitere grosse Veränderung gegenüber heute müssen wir das Verschwinden der damaligen Hauptkultur erwähnen. nämlich des Rebbaues. An den schön nach Süden exponierten Hängen des Jolimonts breitete sich zuzeiten ein einziger zusammenhängender grosser Rebberg aus. Daraus erzielten die Bewohner den wesentlichen Teil ihres Auskommens. Die übrigen nicht überschwemmungsgefährdeten in der Ausdehnung eher bescheidenen Landflächen wurden landwirtschaftlich genutzt, erlaubten aber vorwiegend nur eine Selbstversorgung an Brotfrucht und Kartoffeln sowie etwas Gemüse. Eher bescheiden war daneben allgemein die Viehhaltung. basierte sie doch für viele Kleinbetriebe einzig auf dem unsicheren Futteranfall aus dem Moosgebiet.
Gampelen zählte in dieser Zeit, vor hundert Jahren, gegen 400 Einwohner; fast alle waren auch hier heimatberechtigt und gehörten den Burgergeschlechtern Dietrich, Gyger, Käch, Meister, Mügeli, Rubeli, Tschilar und Wenker an. Von den rund 35 bäuerlichen Betrieben wiesen nur 4 Nutzflächen von über 10 ha eigenem Land auf. Gerade für die Kleinsten von Ihnen waren die Nutzungsrechte am Burgerland, das damals noch zirka 45 ha umfasste, existenznotwendig.
Dennoch suchten viele noch als Taglöhner. Aushilfen bei Rebarbeiten und Akkordarbeiter im Wald sowie als Störenmetzger zusätzlichen Verdienst. Einige zogen sogar in den welschen Heuet, um dort etwas Bargeld zu verdienen. An Handwerkern finden wir Schmiede, Wagner und Sattler, aber alle diese betrieben noch eine kleine Landwirtschaft. Hart und entbehrungsreich waren die Existenzbedingungen, meist bescheiden und ärmlich die Verhältnisse. Die Bilder aus Gotthelfs Armennot hatten sich auch in den damaligen Dörfern im Moos- und Sumpfgebiet der Juraseen auf Schritt und Tritt finden lassen.
Die Wende von diesen misslichen Zuständen brachte erst die in unermüdlichem und aufopferndem Kampf von Dr. med. J. R. Schneider aus Meienried durchgesetzte 1. Juragewässerkorrektion in den Jahren 1868 - 1885. Mit der Seespiegelabsenkung waren die Überschwemmungsgefahren gebannt. Weite Neulandflächen harrten nun auch in unserer Gemeinde der lnkulturnahme. Voll in Anspruch genommen durch die nun mögliche verbesserte Bebauung der eigenen und burgerlichen Landflächen, insbesondere wegen der hohen, drückenden Meliorationslasten. war es den Gampelern in Abwägung ihrer Mittel nicht möglich, sich für Neuland umzutun. Nicht so die neugegründete
Gesellschaft mit dem Erlacher Notar Emanuel Friedrich Witz an der Spitze. Diese erwarb rund 2000 Jucharten, davon gut ein Drittel auf Gemeindegebiet von Gampelen, um sie zu urbarisieren und neue Bauernhöfe zu errichten. Bei allein guten Willen, trotz viel Pioniergeist und Einsatz von Arbeit und Geldmittel endete das Unternehmen im Geltstag. Kein geringerer als der in Gampelen ansässige Regierungsrat Alfred Scheurer war es, der als Finanzdirektor des Kantons Bern den Grossteil dieses Landes für den Staat ankaufte. um daselbst, durch Verlegung der Gefängnisse aus der Stadt Bern, im Moos eine Korrektionsanstalt für Strafgefangene zu errichten.
Scheurer kannte die Verhältnisse aus nächster Nähe. war er doch 1882 mit seiner Familie nach dem Kauf des Hofes von Gottlieb Gyger in Gampelen hierher gezogen. Als Burger von Erlach, dort in einfachen, aber gesunden Familienverhältnissen aufgewachsen absolvierte er zielstrebig die strenge Lehre und anschliessend das Studium zum Notar; seine Tatkraft und Intelligenz, aber auch die Tatsache, dass die Familie auf dem Bauernhof in Gampelen wohlversorgt war. all dies machte Alfred Scheurer zum starken Mann der Berner Regierung und vorbildlichen Verwalter der Finanzen des Kantons Bern. Bestens vertraut mit den Bedürfnissen auch der einfachen Leute zu Stadt und Land. wusste er seine ausgewogenen Vorlagen vor dem Grossen Rat zu vertreten. Ein solches Werk war auch das Dekret vom 3. März 1882 welches die vorher unklaren Verhältnisse über die Tragung der Entsumpfungskosten aufgrund der Mehrwertschätzungen neu ordnete und insbesondere die Abtragungsfrist im Hinblick auf die zu Anfang hohen eigenen Investitions Aufwendungen der Bewirtschafter und vorerst nur geringen Erträgen bei der Urbarisierung auf 25 Jahre erstreckte. Damit sicherte er dem Meliorationswerk den Erfolg dies nicht zuletzt zum Wohle der ganzen mitbetroffenen Bevölkerung und auch des Staates Bern. Das Wirken von Alfred Scheurer trug viel zum Ansehen des Standes Bern in der Eidgenossenschaft bei. Bekanntester Mitbürger aus Gampelen ist sein Sohn Karl der ebenso als Politiker von Format dem Regierungsrat angehörte
und dann 1919 in den Bundesrat gewählt wurde, woselbst er bis zu seinem Tode 1929 dem eidgenössischen Militärdepartement Vorstand. Nicht unerwähnt bleibe hier der Schwiegersohn von Alfred Scheurer, Dr. h.c. Otto Kellerhals. Dieser, Ehemann der Tochter Anna, wurde 1891 Adjunkt und alsbald Direktor des grossen Strafanstaltsbetriebes von Witzwil, welchen er, wie später auch sein Sohn, zum Musterbetrieb mit internationalem Ansehen ausbaute, dies sowohl hinsichtlich Strafvollzugsanstalt wie auch als landwirtschaftlichen Gutsbetrieb. Von den Kenntnissen und Erfahrungen in Witzwil, insbesondere was die Bewirtschaftung des Moosbodens betraf, profitierten weitherum die Bauern der neugewonnenen Moosgebiete.
In jene Zeit der Inkulturnahıne des entsumpften Mooslandes fällt auch 1889 die Gründung des Arbeiterheimes Tannenhof mit seinen zirka50 ha in Gampelen. Ein Verein gleichen Namens, hauptsächlich aus Kreisen von Bernburgern hatte sich zum Ziel gesetzt, entlassenen Sträflingen und unbestraften Arbeitslosen in der Landwirtschaft Beschäftigung, Nahrung und Unterkunft zu bieten. In zäher Arbeit und mit Pioniergeist die anfänglichen Schwierigkeiten meisternd, entwickelte sich der seit 1904 von der Familie Stauffer (heute in der 3. Generation) bestens geführte und betreute Tannenhof zu einem den Zielen der Gründer entsprechenden Musterbetrieb.
ln guter Nachbarschaft mit den Anstaltsbetrieben verbesserten sich auch die Bewirtschaftungsverhältnisse im Dorfgebiet. Zu vermerken ist, dass bereits 1878, anfangs allerdings mit wechselndem Geschick, gemeinsam eine Käserei betrieben wurde. Von 1912 an richtete Witzwil eine eigene Käserei ein. 1882 gab es in Gampelen 66 Kühe. heute wird die Milch von 154 Kühen in die Käserei eingeliefert. wo sie von Käserfamilie E. Gerber-Leuenberger (3. Generation) zu Emmentaler von Spitzenqualität verarbeitet wird.
Als letzte grössere Eingriffe in das Dorf- und Landschaftsbild seien der Strassenausbau mit Gehweganlagen und die Bahnüberführung Richtung Cudrefin erwähnt. Dazu gehört ebenfalls die Gesamtmelioration Ins-Gampelen-Gals mit der Sanierung der Binnengewässer durch Vertiefung und Erweiterung der Kanäle (Isleren- und Seebodenkanal, zwei Pumpwerke). Diese Massnahmen sind gleichsam die Fortsetzung der 2. Juragewässerkorrektion welche bedingt war durch die Moosabsenkung als Folge des Torfschwundes. Mit der neuen Flureinteilung ging auch die Neuanlage des Feldwegnetzes einher. Alles diente insbesondere der Strukturverbesserung der Bodennutzung, aber gleichzeitig der übergeordneten Verkehrsplanung (künftige Umfahrungsstrasse). Im Zuge der Güterzusammenlegung entstanden drei Aussiedlungshöfe. während sich für die im Dorf verbleibenden Betriebe eine bessere Arrondierung der Landflächen ergab.
Der Landschafts- und Naturschutz erfuhr eine Förderung mit Errichtung eines grösseren Reservates im Ziegelmoos-Dählihubel und der gestalterischen Bepflanzung der langen Kanalbörder. Auch der heutige Betrachter des Gemeindegebietes vom eingangs genannten Standort aus darf sich bei all den Veränderungen die unser heimatliches Gebiet erfahren hat, recht herzlich freuen am Ausblick auf die wohlgepflegte Landschaft in ihrer weiten Schönheit und Einzigartigkeit.
Einige Daten
1852 erhält Frau Wwe. E. Gyger-Kunz die Bewilligung zum Betreiben einer Speisewirtschaft (Sternen)
1869 Staat Bern beschliesst Aufforstung des Fanelstrandes (Seewald zirka 160 ha, inkl. Witzwil)
1878 Zihlkorrektion fertig
1881 Anbauversuche von Zuckerrüben im Moos
1882 Gemeinde lehnt Teilnahme (Garantie) an der neugegründeten Amtsersparniskasse ab (Verluste bei Nachlass-Liquidation der Kasse Erlach-Neuenstadt)
1901 Eröffnung der Bern-Neuenburg-Bahn BN
1908 Verlegung der Wirtschaft «Casino» zur Bahnstation, nun Restaurant Bahnhof
1910 Postkutschenbetrieb Gampelen-Gals-Erlach-Tschugg aufgehoben
1912 Elektrizitätsversorgung in Gampelen
1927 Elektrifikation der Bahn BN
1963 letzte Reben ausgeschlagen (Scheurer)
1961 - 73 2. Juragewässerkorrektionab
1968 Gesamtmelioration Ins-Gampelen-Gals (Präsident Hans Stauffer-Minder 1906-1982)
1974 Amt Erlach 400 Jahre bei Bern (Werner Tribelhorn: Kleine Geschichte von Gampelen)
1976 Neuanpflanzung von Reben: Riesling- Sylvaner. Gutedel und Blauburgunder (M. Krebs Twann)
1980 Dorffest «800 Jahre Gampelen» (Reinertrag zugunsten Baufonds einer Mehrzweckhalle)
1982 Einwohner 789, davon 18 Ausländer