Latènezeit
Der Bronze folgte etwa ums Jahr 800 vor Christi Geburt das Eisen. Der neue Zeitabschnitt wird in zwei Abschnitte eingeteilt, die ältere Hallstattzeit und die jüngere Latènezeit. In unserer Gegend stiess man nur auf latènezeitliche Funde. Das Land wurde damals von den keltischen Helvetiern bewohnt.
In die Zeit der Helvetier weisen allerlei Sagen von Geistern und Zwergen, welche auf eine von ihnen vorgefundene Urbevölkerung hindeuten. Einzelne keltische Wörter sind in unserer heutigen Sprache erhalten geblieben, so «Bänne» vom keltischen <<benna››; Gurten, Jurten, Jorat, Jura und Joux sind keltischen Ursprungs und bedeuten so viel wie «waldiger Berg». Rhein, Rhone und Reuss sollen von «rin» = fliessen herzuleiten sein.
Die Kelten wohnten in strohgedeckten runden Hütten, oft nur in Wohngruben. Ihren Göttern brachten sie Menschen- und Tieropfer dar. Die Toten betteten sie bewaffnet und geschmückt in die Erde, so dass man aus aufgefundenen Gräbern Lanzenspitzen, Schwerter, Arm- und Fussringe, Gewandschliessen und anderes entnehmen kann und so ein getreues Bild bekommt von Wehr und Waffen, Schmuck und Werkzeug, der ganzen Kultur der Helvetier überhaupt.
Ein solches Grab aus der Latènezeit kam im August 1933 bei der Anlage der Wasserleitung zu einem Neubau (am Stengelerweg) vor der Nordwestecke des Hauses Arn-Scholl Rudolf, Stöcklers, zum Vorschein. Prof.0. Tschumi, Bern, konnte anhand der vorgefundenen, allerdings stark versinterten Eisenfibel (Gewandschliesse) das Skelett der jüngeren Eisenzeit (Latène) zuweisen. Leider waren die Langknochen durch die unvorsichtige Grabarbeit fast alle beschädigt worden. Trotzdem konrıte Prof. Dr. Schlaginhaufen, Zürich, feststellen, dass das Skelett von einem älteren Mann stammen musste, der eine Körperlänge von 181,7 cm aufgewiesen hatte.
Julius Cäsar berichtet, dass das Gebiet der Helvetier 12 Städte und 400 Dörfer aufgewiesen habe. Eines dieser Dörfer muss sich dort befunden haben, wo heute Büetigen liegt, darüber kann wohl kein Zweifel bestehen, wie der letzte, bis heute wichtigste, Grabfund beweist.
Auf der Südseite des Hauses von Frau Frieda Lauper-Fink hatten spanische Bauarbeiter einen nach Süden bergauf führenden Graben ausgehoben zur Aufnahme einer neuen Wasserleitung. Dabei stiessen sie auf menschliche Knochen und einen bronzenen Buckelring. Der sofort herbeigerufene Kantonsarchäologe Hans Grütter stellte fest, dass es sich um ein keltisches Grab, quer zur Grabenrichtung liegend handelte, Kopf im Westen, Blick nach Osten. Der Leitungsgraben hatte bloss die Hüftpartie und die Unterarme durchschnitten, so dass befriedigende Aufschlüsse erwartet werden durften. Man wurde denn auch nicht enttäuscht. Jeder Arrn trug einen grünpatinierten Armring, jeder Unterschenkelknochen wurde von einem Fussring umfasst.
In Nr. 16 von «helvetia archeologica›› hat sich Hans Grütter eingehend mit dem Grabfund befasst. Wir erlauben uns, seine Ausführungen hier leicht gekürzt wiederzugeben:
«Eine wahre Fülle von Beigaben aber konnte in der Brustgegend gefasst werden. Hier fanden sich insgesamt 8 Fibeln (Gewandschliessen) aus Bronze und ein Bronzeringlein. Anhand dieses Beigabeninventars war bereits klar geworden, dass hier ein weibliches Individuum begraben lag. Die Verstorbene wurde in gestreckter Lage in West-Ost-Richtung (Kopf im Westen) mit ihrem Schmuck in die Grabgrube gelegt.
Bei der Toten handelt es sich zweifelsfrei um eine Keltin maturen Alters, welche, anhand des Zahnmaterials und der Verwachsungen der Nahtabschnitte am Schädeldach, um ihr fünfundfünfzigstes Lebensjahr verschieden sein dürfte. Die Körpergrösse mag bei 1,68 m gelegen haben. Auffallend gut erhalten ist der sehr grazil wirkende Schädel, während das übrige Skelettmaterial, wohl wegen des Aufliegens auf der anstehenden, grobkörnigen Moräne, starke Abbauerscheinungen zeigt.
Das geborgene Beigabeninventar umfasst insgesamt 13 Objekte: Bei den zwei massiv gearbeiteten Armringen, der eine ein Buckelring, der andere ein unverziertes, geschlossenes Objekt, ist nicht mehr auszumachen, welcher der Ringe rechts, respektive links getragen wurde, da die Aushubarbeiten die betreffende Partie tangierten. Anhand von Grünfärbung sowohl an den linken als auch an den rechten Unterarmknochen kann lediglich gesagt werden, dass die Bestattete an beiden Armen je einen Ring trug. Etwas ähnlich verhält sich der Befund bei den beiden, die Knöchel umfassenden Fussringen.
Die hohlen Stöpselringe, kongruente Fabrikate übrigens, sind aus feinem Bronzeblech getrieben; um einer Deformation der wohl für ungehindertes Gehen leicht gebauten Ringe entgegenzuwírken, hat der Bronzeschmied den Hohlraum mit einem entsprechend dicken Rute ausgefüllt, respektive das getriebene Bronzeblech auf ein solches aufgezogen. Die Stöpselringe überdauerten die Bodenlagerung nur schlecht, so dass die Uberlieferung lediglich in Fragmenten erfolgte. Bei den in der Brust- und Schultergegend aufgefundenen Fibeln dürften nur deren drei zum Zusammenhalten oder zum Schmücken des Totengewandes gedient haben.
Wir meinen die beiden Gewandschliessen in der Gegend der Schlüsselbeine und diejenige auf der rechten Brustseite. Die Lage und Anordnung der fünf Fibeln auf der linken Brusthälfte lassen – zumal deren zwei offen aufgefunden wurden - die Vermutung aufkommen, dass diese nicht am Gewand hafteten, sondern der Toten in einer Art Tasche mit ins Grab gegeben wurden. Bei Zutreffen dieser Annahme dürfte das schräg rechts über dieser Fibelhäufung liegende unverzierte Bronzerirıglein von nur 2,5 cm Durchmesser wohl als zur Aufhänge- oder Schliessvorrichtung gehörend angesprochen werden.
Die Befundsituation vermag einige Einblicke in das gesellschaftliche und geistige Gefüge jenes keltischen Stammes, welchem die Bestattete zugehörte, zu vermitteln. Die massiven, recht unbequem zu tragenden Armringe (der Buckelring wiegt 140 g) könnten als Indiz dafür gelten,dass die Frau nicht selbst die täglichen Arbeiten hat verrichten müssen, sondern dass ihr dafür Diensten zur Seite standen.
Man geht kaum fehl, die Bestattete als Angehörige der Oberschicht in der ständisch gegliederten keltischen Stammesgemeinschaft anzusprechen. Das Mitbestatten von Sachen des täglichen Gebrauches schliesslich vermag aufzuzeigen, welche Vorstellungen die Kelten in bezug auf das Weiterleben nach dem Tode entwickelten. In diesen Zusammenhang gehört auch die eingangs erwähnte Grabrichtung. Der Fundaufschluss lieferte im weiteren keinerlei Anhaltspunkte auf das Vorhandensein eines Sarges; hingegen machen Bodenverfärbungen die Verwendung eines Totenbrettes wahrscheinlich.
Die vorliegende Fundsituation berechtigt zur Annahme, in Büetigen bereits in der jüngeren Eisenzeit eine Besiedlung anzunehmen. Mit dem Anschneiden weiterer Gräber oder der Siedlung selbst dürfte daher anlässlich anderer Bauvorhaben gerechnet werden.» Die keltische Frau dürfte irgendwann zwischen 350-250 vor Chr. beerdigt worden sein.
Wir möchten den Abschnitt über die Helvetier nicht schliessen, ohne ein paar Sätze von Karl Keller-Tarnuzzer zu zitieren: «Die Kelten», schreibt er, «haben in einem grossen Teil der alten Welt einen grossen Einfluss ausgeübt. Wo sie hinkamen, brachten sie ihre eigene Kultur und ihre eigene Sprache mit, die sich von denen anderer Völker scharf unterschieden. Und dort, wo sie selbst keine Herrschaft ausübten, strahlte doch ihr starker Einfluss aus. Dieser Einfluss machte sich sogar bei der bedeutend höher stehenden Kultur der Römer geltend. Anderseits gelang es vielen Helvetiern nach der Besetzung des Schweizerbodens durch die römischen Legionäre, sich römische Kultur zu eigen zu machen und in Militär und Beamtentum zu Ansehen und Rang zu gelangen. Es ist direkt auffäl-lig wie sich keltische Eigenheiten während der ganzen römischen Zeit durchzusetzen wussten.So kommt es, dass die Kelten, und speziell die Helvetier, trotzdem sie nicht lange als unabhängiges Volk unser Land bewohnten, doch einen tiefgreifenden Einfluss in unserem Volkstum hinterlassen haben.»