Petinesca
Dieser ziemlich wilde, stark bewaldete, nur an seinem Fuss bebaute Berg, welcher in seiner von Westen nach Osten gestreckten Länge eine Stunde, in der grössten Breite eine Viertelstunde misst und seinen Namen von dem am südwestlichen Fusse gelegenen Dorfe Jens erhalten hat, ist nun ohne Zweifel der Kernpunkt des römischen Wesens im Seeland gewesen und da dieser Landestheil für das römisch-keltische Alterthum in unserem Kanton der wichtigste, so wird sich ein längeres Verweilen bei diesem wichtigen, in feiner ganzen Bedeutung noch so wenig erkannten Punkte von selbst rechtfertigen.
Auf der südwestlichen Höhe des Berges, wo dieser am höchsten ansteigt, ist der Sandsteinfels, aus welchem der Berg besteht, durch Menschenhand in einer von Osten nach Westen sich ausdehnenden Ovale ringsum jäh abgeschnitten und die also isolierte, übrigens eine von Süden nach Norden geneigte Fläche darstellende Bergkuppe, schon fernhin an den erhöhten Tannen kenntlich, ist in einiger Tiefe in einem Umkreis von 570 Schritten mit breitem Graben und hohem Wall umgeben. Diese merkwürdige Oertlichkeit heisst bei den Umwohnern des Jensberges: auf der Burg, ist auch unter dem Namen der Knebel= oder Knebelsburg bekannt, von welcher aber schon im Siebzehnten Jahrhundert weder Urbarien, noch in andern alten Urkunden der Schlösser und Klöster irgend etwas zu finden war. Eine um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gegebene Notiz über Alterthumsreste, die man von dieser Burg gezogen, sagt nichts über Charakter und daherige Zeitbestimmung derselben. Im Jahre 1796 fand man aber dort einen Antonius Pius in Grosserz, dessen Rückseite die Wölfin mit Romulus und Remus zeigt und in neuerer Zeit entdeckte man bei Nachgrabungen auf der Höhe der Burg in einem Felseinschnitt Fragmente von römischen Leistenziegeln und Gefässscherben von demjenigen Korn, welches der verfeinerten keltischen Töpferwaare eigen ist, überdies ein Gypsbildchen mit Spuren der zartesten antiken Glasur. Ebendaselbst fand man in altem Steingetrümmer das rohe Kopfbild eines Adlers und eine Opferkeule, beides aus Sandstein. Sodann entdeckte man bei Untersuchung eines dachgiebelähnlichen Erdhügels, der auf der Ostseite des Walles in den Wallgraben vorspringt, in der Tiefe des feinen Sandes, der das Innere des Hügels füllt, vielfaches Bildschnitzwerk aus Sandstein, welches in stiagraphischer oder Silhouetten Manier flache Kopf-Profilbilder darstellt. Unter der vielen, meist der Verwitterung nahen Fundstücken zeichnen sich die wohlerhaltenen Kopfbilder eines Hahns und eines Löwen aus, welche Fundstücke, wie ein unter der Oberfläche des Hügels gefundenes Schlangen-Schnitzbild, als mithrialtische Symbole anzusehen sind und auf einen Grabhügel schliessen lassen. Grabhügel sind wol auch die rundlichen Erdlöcher, in welche der Wall auf der Nordseite oft anschwillt und in deren Zwischenräumen er bedeutend niedriger und dünner ist. So findet man auch anderswo in Verbindung mit Verschanzungen Grabhügel, wahrscheinlich von Kriegern, die jene vertheidigend, ruhmvoll gefallen waren.
Römisches Alterthum beurkunden weiter die parallelgrammatisdch behauenen Sandsteine, aus welchen die Bautrümmer der Burg bestehen. Diese liegt nun aber so, dass von derselben die ganze Ebene von Murten bis Solothurn, somit das Hochgsträss in seiner ganzen Ausdehnung durch das Aarethal übersehen werden kann; auch zieht sich daselbe dicht unter der Burg nach dem Südöstlichen Ende des Jensberges hin; ja, ein Seitenweg führt von der Fläche aus dicht unterhalb der Burg auf die etwas vertiefte Mitte des Bergrückens und streift quer über denselben, um sich als Hohlenweg nach dem nördlich vom Jensberg bei Bürglen gelegenen Gelände hinabzusenken. Der jähe südliche Bergabhang oberhalb des Bergweges ist aber an seiner obersten Kante gemauert und zwar mit der gleichen Art Mauerwerk, wie auf der Burg selbst vorkommt. Endlich ist noch mit Beziehung auf die Wichtigkeit, welche die römische KriegskunstSodlöchern auf der Burg bemerklich zu machen. Betrachtet man nun sämmtliche Lokalitätsverhältnisse und nimmt daztu das Vorkommen von römisch-keltischen Alterthumsresten, so wird man sich leicht überzeugen, dass hier in römisch-keltischer Zeit ein Kastell gestanden habe, welches das hochgsträss und den südlichen Zugang des Berges, wie seine ganze Wetsseite, bewachen sollte. Eine weitere Bestimmung desselben wird sich weiter unten ergeben.
Albert Jahn 1850