Der geologische Bau des Bielerseebeckens

Dr.Max Antenen, Safnern

Das nördliche und das südliche Bielerseeufer wird aus gänzlich verschiedenartigen geologischen Ablagerungen aufgebaut. Das Südufer, das vom See meist flach ansteigt, besteht aus Molassebildungen, die aber fast überall von eiszeitlichen und nacheiszeitlichen Deckschichten überlagert werden. Zwischen Gerolfingen und Vinelz bilden die Molassegesteine eine deutlich ausgeprägte Steilkante. Das Nordufer seinerseits besteht aus den steil abfallenden Kalkschichten der Kreide- und Jurazeit. Die eigentliche Wanne des Sees liegt in Ablagerungen der Molasse. Es sei im nachstehenden versucht, die verschiedenartigen geologischen Bildungen der beiden Seeufer kurz zu beschreiben.

Ablagerungen der Jurazeit

lm Gebiet der Seekette sind nur die obersten Teile des Jurasystems aufgeschlossen. Es sind die hellen, meist gut geschichteten Kalke der sogenannten Twannbach-Formation. Bei Twann wurden sie als Baumaterial für die zweite Juragewässerkorrektion ausgebeutet. Sie bilden auch die steile Wand des Pavillonfelsens bei Biel. Der Geologe erkennt in diesen Ablagerungen eine Ablagerung eines seichten Meeres.

Ablagerungen der Kreidezeit

Diese sind äusserst vielfältig aufgebaut. Die ältesten, unmittelbar über den Twannbach-Kalken liegend, umfassen die Goldberg-Formation. Sie werden so bezeichnet, weil sie im Goldberg-Steinbruch bei Vingelz besonders schön aufgeschlossen sind. Die Schichtfolge besteht aus etwa 14 m Mergeln und Kalken, daneben enthalten sie Lagen mit schwarzen und grauen Kalkgeröllen. Die Geologen deuten diese Sedimente als Ablagerungen eines Süsswassersees, enthalten sie doch versteinerte Muscheln und Schnecken, Welche nur im Süsswasser gelebt haben können.

Ein Meeresvorstoss überflutete nun weite Teile des Bielerseegebietes, es kam zur Ablagerung von Mergeln und Kalken, und es bildete sich der sogenannte Marbre bâtard, ein gelblicher, gut gebankter Kalk mit vielen Fossiltrümmern. Einzelne Schichten können einen Kalkgehalt von über 99 %  erreichen. Der Marbre bâtard wurde früher in verschiedenen Steinbrüchen längs des Sees ausgebeutet. Heute noch bekannt ist der Steinbruch Rusel. Die nächst jüngeren Schichten über dem Marbre bâtard sind Mergel und stark eisenhaltige Kalke. Diese letzteren nennt der Geologe Calcaire roux. Sie können lokal viele Versteinerungen führen, sind aber meistens unter der Vegetation versteckt, Nun folgen vier gut unterscheidbare Schichtglieder:

- die Mergelzone

- die Knollenmergel-Zone

- die Mergel- und Kalk-Zone und zuoberst

- die berühmte Pierre de Neuchâtel.

Vor allem die Mergel enthalten viele Fossilien, so Brachiopoden (Armfüsser), Muscheln und Ammoniten. Bei Cressier sind diese Mergel früher ausgebeutet worden, hier kann man in der alten Mergelgrube heute noch Fossilien sammeln. Die Pierre de Neuchâtel ist der Baustein Neuenburgs, aber auch in unserem Gebiet bestehen viele alte Häuser aus diesem charakteristischen Gestein. Es ist ein gelber, harter Kalk, der zum grössten Teil aus Trümmern von Stachelhäutern besteht (Seelilien, Seeigel, Seesternen, usw.). Am Bielerseeufer sind diese vier erwähnten Schichtkomplexe nicht so schön und deutlich ausgebildet wie im Gebiet des westlichen Juras. Östlich Twanns ist die Pierre de Neuchâtel überhaupt nicht mehr zu beobachten, weil spätere Erosion sie wieder entfernt hat.

Nächstjüngere Bildungen der Kreidezeit sind aus der Umgebung von Cornaux bekannt. Es sind die Urgonkalke, gelbe, an Fossiltrümmern reiche Kalksteine. Noch zweimal überflutete das Meer in der Folge unsere Region. Reste dieser Meeresvorstösse kennt man in Form von sogenannten Taschenfüllungen vom Franzosenweg bei Tüscherz und Ried nördlich Biel. Sie belegen, dass das Meer Weit nach Osten über eine verkarstete Landoberfläche vorstiess. Aus diesem Grund liegen diese Ablagerungen in Löchern und Höhlen der ehemaligen Landoberfläche. Nach der letzten Meeresüberflutung wurde der grösste Teil des schweizerischen Juras Festland. Während dieser Zeit bildeten sich Sedimente, die unter dem Namen Siderolithikum bekannt sind. Darunter versteht man Landablagerungen in Form von Bohnerzen, Bolus und Quarzsanden (Huppersande).

Ablagerungen der Molassezeit

Die ältesten Molassebildungen sind am Jurarand bei Wingreis und La Neuveville aufgeschlossen. Es sind bunte Mergel und Sandsteine mit versteinerten Blattresten, die sogenannte Blättermolasse. Sie liegt unmittelbar auf den siderolithischen Ablagerungen. Mit diesen Sedimenten beginnt die Molassezeit. Ihre Schichten können in unserem Gebiet in die Untere Süsswassermolasse und die Obere Meeresmolasse unterteilt werden. Die Untere Süsswassermolasse, deren älteste Schichten wir – wie oben erwähnt - vom Jurarand kennen, baut die St. Petersinsel auf und bildet den Grund des Bielersees. Aber auch das Steilufer zwischen Gerolfingen und Vinelz besteht aus den mergelig-sandigen Schichten dieser Molasse. Sehr schön ist sie am Einschnitt des Kanals bei Hagneck aufgeschlossen. Die Ablagerungen der Unteren Süsswassermolasse sind Bildungen eines weitverzweigten Stromsystems, das am Genfersee aus den Alpen tretend, sich über eine weite Deltaebene nach Nordosten hinstreckte. Über den noch nicht gefalteten Jura flossen diese Ströme nach Norden in Richtung Basel, wo sie sich in einen schmalen Meeresarm, der sich zwischen

Schwarzwald und Vogesen befand, ergossen. Weitere Zuflüsse erhielt dieses System aus der Gegend von Thun. Hier schüttete ein Vorläufer der heutigen Aare, eine Ur-Aare, ein mächtiges Delta auf. Auch dieser Fluss entwässerte sich nach Norden ins Meer. Erst zur Zeit der Oberen Meeresmolasse änderten sich die geologischen Verhältnisse. Ein Meeresvorstoss setzte die weite Deltaebene unter Wasser. Ablagerungen aus dieser Zeit sind die sogenannten Muschelsandsteine von Brüttelen und Ins, wo man noch heute Haifischzähne und Meeresmuscheln sammeln kann. Die Schichten der Oberen Meeresmolasse bilden den höheren Teil des Jolimonts, den Schaltenrain, den Jensberg und den Krähenberg bei Biel. Nach dieser Überflutung zog sich das Meer endgültig zurück. Im unteren Seeland kennt man noch jüngere Molassebildungen. Es handelt sich um Mergel und Sande der sogenannten Oberen Süsswassermolasse.

Ablagerungen der Eiszeiten

Unser Gebiet wurde mit Sicherheit zweimal vom Rhonegletscher bedeckt, nämlich während der Riss- und der Würm-Eiszeit (letzte Vergletscherung). Bildungen der vorletzten Eiszeit findet man auf der Höhe von Magglingen in Form von flachen Moränenwällen. Das Ablagerungsmaterial der letzten Vereisung ist vielfältiger. Besonders auffällig sind die mächtigen Schotter- und Sandvorkommen südlich des Sees, wo sie bei Sutz, Bühl und Treiten ausgebeutet werden. Der Geologe deutet diese Bildungen als Rückzugsschotter des Rhonegletschers, entstanden an der Stirne des sich in die Alpen zurückziehenden Gletschers. Längs der Seekette sind in verschiedenen Höhenlagen Moränenwälle ausgebildet. Diese entsprechen vermutlich Stadien des abschmelzenden Gletschereises. An manchen Stellen sind die Moränen gekrönt mit Findlingen. Bekannt und von Sagen umwoben sind die Blöcke auf dem Jolimont (Teufelsbürde) oder der Hohle Stein oberhalb Twann. Weite Teile, besonders die Täler, sind mit Grundmoräne überkleistert. Sie ist unter dem Gletscher entstanden. Sie kann in der Regel nur an frischen Aufschlüssen oder bei Sondierungen beobachtet werden. Eine Bohrung beim Bieler Hafen durchteufte unter jungen Seeablagerungen rund 70 m Grundmoräne, wobei aber die Felssohle noch nicht angetroffen wurde. Vermutlich liegt auch unter den Ablagerungen des Bielersees eine mächtige Decke von Grundmoräne.

Ablagerungen der Nacheiszeit

Zu nennen sind hier einmal Sande und Silte des nacheiszeitlichen Solothurner Sees.  Im Gebiet der Stadt Biel kann man sie bei tieferen Sondierungen unter den jüngsten Ablagerungen der Schüss regelmässig feststellen. Weiter gehören dazu die Aufschüttungen der Aare, der Zihl und, wie erwähnt, solche der Schüss. Diese bilden ein weites Deltagebiet, das vom Taubenloch-Eingang bei Bözingen bis hinüber zur Schleuse von Port reicht. Die wechselvolle Zusammensetzung des Schüss-Schuttkegels kann man besonders in Baugruben im Zentrum der Stadt Biel beobachten.
Literatur:M. Antenen, Die Geologie der Regio Biennensis, Jahrbuch der Stadt Biel 1972.

Skizze Geologisches Blockbild des Bielersees