Schläui Lisis Rache
Babettli, mach hurtig’s Fenster zu – wäh – wäschelte die zimperliche Frau Notar Bohnenblust und verhielt sich die spitze Nase.
Es war aber auch darnach. Auf der Dorfstrasse fuhren die Jauchenwagen, einer nach dem anderen. Der Liebi Fritz, der Hänni Christen, der Gigli Otto.
Alle führten das kostbare Nass auf ihre frischgemähten Wiesen. Das ganze Dorf stand im Duft. Schon gestern war das so gewesen. Der erste Grasraub war vorüber. Es ging dem Heuet entgegen. Man muss ein neues Chochetli übertun, Sonne und Regen allein tun’s nicht, lachte der Liebi Fritz zum Hänni Christen.
Auch Herren Niggis Brächt, der Erdknecht, pflanzte vor dem Wagenschopf das dickbauchige grossbäuerliche Jauchefass in den Gestellwagen.
Er tat gemächlich und zündete zwischenhinein einmal ums andere die Pfeife an. Der Luft ging halt. Und eben – von Pressierigen war der Brächt nicht ! Wenn der Meister all ander Tag nach Bärn an die Grossratssitzung laufen musste – hm – konnte man daheim nicht alles erhunden und erschinden.
Würde wohl ohne ihn auch gehen z‘ Bärn ! Das Gehör hatte ihm doch abgenommen und verstehen würde er kaum alles, der Herren-Nigg ! Gesetze hatte man genug. Mehr als genug, wenn man darnach leben wollte – hm – mhm !
Der Brächt niffelte und bastelte bald da, bald dort etwas an dem Fuhrwerk herum, trieb mit dem Hammer einen Nagel tiefer, der schon lange sass, zündete wieder einmal die Pfeife an, sog ein wenig hmb – hmb, spuckte aus, ging rund um den Wagen und besah kritisch sein Werk.
Das Fass stand schief, nundebie ! Es musste mehr nach links hinüber. Er ruckte und sperzte noch ein wenig, dass es in den Achsen girrte und ächzte. Endlich ging’s.
Sooseliso ! Jetzt war’s eben recht. Tiefauf seufzte der Brächt.
Drüben im Nachbarhäuschen riss das Schlauberger – Lisi sein Fensterflüglein auf.
Wirst bschütten wollen am Nachmittag, Brächt he ? fragte es hässig.
Ich nicht, aber der Meister, grinste der Brächt und schaute Lisi pfiffig an.
Soll sich in acht nehmen, der und mir wieder über’s Mätteli fahren, jetzt wo es acht Tage geregnet hat ! Das gäbe wieder Karregeleise, dass man einen Hund drin verlochen könnte ! schnäberte Lisi und schoss giftige Blitze nach dem Brächt. Der tat, als ob er nicht hörte.
Endlich nach langem wandte er den Kopf und rief zu dem keifenden Fraueli hinüber: Müsst ihm’s halt selber sagen, dem Grossrat …
Bhüetis ja, Brächt! Käme mir gar nicht darauf an, wenn ich schon nur’s Schläui-Lisi bin und er der grosse Herren-Nigg von Wärchiwyl ! Wegen dem ist meine kleines Armleutenmätteli doch gut genug, um mit dem Bschüttiwagen darüber zu püffeln, weil man halt zu bequem ist, hintenum der Strasse nach zu fahren ! Mauls genug hätt‘ ich, um dem Herrn Grossrat gründlich die Zäggen zu lesen. Soll sich in acht nehmen, der …. Mhm >!.Der Teufel guselte mit spitzem Gäbelein den Brächt. Ist ihm halt verdammt kommod, dem Meister, dass er nicht hintenum den Kehr nehmen muss. Dein Mätteli ist ein gäbiges Anrichtiloch, Lisi, feuerte er ein.
Und das Schläui-Lisi loderte auf: Ja kommt mir eben recht du …. Ob unsereins für die Geissen genug Gras hat, ist ja Nebensach gelt ? Wenn nur die grossen Herren auf ihre Rechnung kommen! Wenn nur der Herren-Nigg z’zäberligen Beinen auf sein Bschüttifass hinauf gogeren kann. Gehe es über anderer Leute Gras oder nicht ! Er hat’s halt gar nötig, der Nigg!
Musst dann, wenn du mit ihm reden willst, gehörig Pulver aufschütten, Lisi, sonst hört er dein Donnerwetter nicht. Er ist ein grüsliger Ghörübel geworden, der Nigg.
Hab nicht Angst, Brächt ! Wenn’s nötig ist, donnert’s bei mir laut genug. – Damit machte Lisi kehrt, verschwand im Rahmen des Fensters, klepfte das Flügeli zu, dass es krachte, warf die Türe ins Schloss, dass es dröhnte wie von einem Kanonenschuss.
Der Brächt lächelte teufelsflüchtig auf den Stockzähnen, schob den Jauchewagen in die Matte hinab und stellte ihn unter das Ausflussrohr. Heiliges Kanonenrohr ! die schiesst heute aus dem grossen Mörser. Und grobes Geschütz ! … brummelte er für sich und kraulte im Haar. Er war zufrieden. –
Lisi’s Brust keuchte wie eine Lokomotive, als es in die ruhige Küche stampfte, dort die Eisenpfanne vom Küchenschrank riss und ins Loch donnerte, darnach das Gätzi ergriff und damit in den Wasserkessel fuhr, dass das Wasser in der halben Küche herumspritzte. Den Rest schmiss es in die Pfanne, hoch im Bogen flog das Gätzi wieder in den Kessel zurück und verführte wieder einen Höllenlärm.
Rumple nur, du Chätzer, schrie es erbost das Gätzi an und meinte natürlich den Herren-Nigg. Mit ziternder Hand rieb es ein Zündholz an. Es bezwang sich und liess es ruhig anbrennen, wohl wissend, dass ein Zündholz kein Gätzi ist, an dem man seine Täubi auslassen kann.
Endlich brannten die kleingebrochenen Tannenreiser unter dem Tröpflein Kaffeewasser. Die Milch kochte auch bald.
Ganz erschöpft setzte sich Lisi zu seinem kargen Mittagsmahl. Es schnitt sich nur eine dünne Scheibe Brot ab, tunkte grosse Bissen in sein geblumtes Ohrenchacheli und schob diese gedankenlos zum Munde.
Zwischenhinein seufzte es tief und abgründig aus bekümmerter Brust. Die Täubi hatte sich gelegt und hatte jenem Gefühl ohnmächtiger geschlagenheit Platz gemacht, die den Besiegten nach der Niederlage ankommt. Bald schon schob es das leere Chacheli von sich und versank in dumpfes Brüten. Vom Gesicht konnte man ihm ablesen, dass die Gedanken keine freudigen waren.
Der Maisonntag vom letzten Jahr kam ihm wieder in den Sinn. Jener schöne Bluestsonntag, an dem der Herren-Nigg so dreckig mit ihm geredet hatte.
Es war das Bachweglein herauf gekommen, Sonntagsfriedlich und heiter gestimmt ob dem wunder schönen Blühet und er, der grosse Herren-Nigg, war den blühenden Sauergrauchbäumen am Bord nachgegangen und hatte wohl der Arrondierung seines grossen Bauernlandes nachgesonnen. Es sieht noch, wie er breit und behäbig daher kommt.
Auf einmal bleibt er stehen und sagt Lisi wollen wir einen Handel machen ? Seoi kein Narr und verkauf mir dein Geissmätteli. Fast mit Fünflibern überleg ich’s dir. Schau es liegt an meinem Grossacker und ich habe kein richtiges Wegrecht. Muss mit Mist und Bschütti, mit Frucht und Gras jedesmal einen grossen Bogen machen und hinten herum fahren, dem Kiesgrubenweg nach. Eine halbe Tagreis ist’s
Botz Stecken Türken! Dem hatte es damals einen Blick gegeben Bis ins innerliche Mark musste er ihm gegangen sein. Der steckte seine Pfeife ein und hielt s’Maul. Ebenrecht.
Damals war ihm das Blut nicht in den Kopf geschossen, alles war zum Herzen geströmt, so dass es bleich wurde wie ein Leintuch. Einfach den Zungenschlag hatte es abbekommen vor Aufregung.
Aber dann war’s um so ärger gekommen! Soo so! Auch du, Herren-Niggu ! Auch du bist ein solcher Jsaak. Ja, ein Jsaak bist !
Einem armen Witfraueli willst sein einziges, kleines Hudelmätteli in den Sack stecken. Ja, in den vollen Geldsack! So einer, dem sonst schon die töllsten Aecker und fettesten Wiesen ums Haus herum drohlen, wie andern Leuten die Steine ! -
Geh heim, Herren-Niggel und schäme dich! Ja schäm dich bis zuunterst in deinen Hosensack !
Wenn ich das nächste Mal bei deinem Lisebeth zur Wäsche auf die Stör komme, so will ich ihm sagen, was du für ein Hamsterdam seiest und welches Ansinnen du an mich stelltest. Du Es begreift mich dann schon. Es ist ein rechtes, dein Lisebeth Aber du - !
Brauchst nicht so laut zu krähen, Schläui Lisi! Ich verstehe dich auch sonst. Hatte der Bauer damals gesagt, hatte hochmütig gelächelt und sich heimwärts gewendet.
Seitdem war der Herren-Niggi noch häufiger als sonst übers Geissmätteli gefahren. Die eingekerbten Rosshufe und die Radspuren gruben Wundmale darein. Aber viel tiefer noch brannten sie in Lisis Seele. Dort wurden sie zu Kainszeichen.
Die Ellenbogen aufgestützt, den Kopf in die Hände vergraben, sass die Häuslerin da, sann und grübelte und schaute fast ein Loch in den Tisch. Aber auf einmalgab sie sich einen Ruck, hob den Kopf und schaute ins Leere, gradaus als sei ihr eben ein Gedanke gekommen.
Mählich lösten sich die verkrampften Züge in ihrem Gesicht. Es ging darin eine seltsame Veränderung vor. Der Verdruss war wie weggewischt. Von der düster umwölkten Stirne, die von eigenwilligem Rubelhaar umrahmt war, glitten die Schatten fort. Um den Mund zuckte ein triumphierendes Lächeln. Endlich ging in dem Runzelgesicht die Sonne vollends auf.
Lisi erhob sich, räumte mit hurtigen Händen ihr Geschirr zusammen, trat in die Stube und band ein sauberes Fürtuch um.
Vor dem Spiegel fuhr es mit dem Kamm zu beiden Seiten dem Scheitel noch einmal abwärts und bannte seine Chrüfeli in die straff gespannte Bahn der andern Haare, die nicht so widerspenstig waren.
Auf einmal hob es witternd den Kopf. Vom Nachbarhaus kam ein Geiselklepfen: blitz blatz blitz!
Lisi stellte sich ans Fenster und zog das Umhängli. Hinter diesem hervor äugte es scharf hinüber nach dem Nachbarhaus. Richtig er war’s der Sidian.
Er hatte die zwei Braunen angeschirrt und führte sie die Matte hinab, spannte sie vor den Wagen und liess das Fass voll laufen.
Trotz seinem Schmerbäuchlein stieg der Herren-Nigg behend auf den Wagen und setzte sich rittlings auf das Fass. Hü kommandierte er. Die Pferde zogen an. Der Wagen schwankte den Karrweg hinauf und bog in die Dorfstrasse. Sogleich verbreitete sich das angenehme Rüchlein, das in ländlichen Bezirken um diese Zeit so gewiss ist wie Kuckucksruf und Säubluemen im April.
Es roch famos und wohl aus Freude darüber klepfte der Herren-Nigg wieder ein langes exaktes Gsatz, als wollte er dem Geschäcklein noch mehr Nachdruck verschaffen. Das scharfe Geisselklepfen zerriss die laue Sommerluft.
Die Bienen kehrten sich nicht daran und summten in den blühenden Hecken. Leiser Wind bog zart die reifenden Halme in den Wiesen.
Ingrimmig hinter dem gezogenen Umhängli durchblinzelnd, sah Schläui Lisi zu, wie der Herren-Nigg den Hochrain hinauf fuhr und nach dem Allmendacker hinüber bog.
Jetzt hatte er den Rank genommen und war verschwunden.
Aber Lisi verliess ihren Beobachtungsposten keineswegs. Im Gegenteil. Schärfer noch äugten ihre Sperberaugen das Rainlein hinauf. Und richtig: keine 5 Minuten waren vergangen, da kam der Herren-Niggi retour, sass so selbstgefällig auf seinem Fass wie nur je und klepfte:
Blitz blatz blitz
schlau muess me sy
das isch der Witz!
Ja, so klepfte er auf seinem hohen Sitz. Lisi konnte es deutlich hören. Gerade dieses freche Sätzlein klepfte er !
Dä Tusigsdonner stiess Lisi ingrimmig zwischen den Zähnen durch und machte die Faust.
Es hatte nämlich ausrechnen können, dass der Herren-Nigg keineswegs hintenrum dem Feldweg nach auf die Grossmattegefahren war, um allda seine Duftbrühe zu verspritzen, nein – beim Eid hatte wieder sein Geissmättli herhalten müssen !Sonst wäre er nicht schon zurück gewesen, mit seinem grossartigen, holpernden Zweigespann !Der hinterrücksige Grossgrind ! Wenn es den jetzt gerade – jetzt – in diesem Augenblick unter seine Fäuste gekriegt hätte, es, das Schlauberger- Lisi – mhm.
Kein gutes Haar hätte es ihm am falben Borstengrind gelassen ! So viel war sicher. Der- der - !
Jetzt musste etwas gehen ! Jetzt sollte sein heimlicher Entschluss zur Tat werden.
Schon war es draussen. Der Schlüssel kreischte im Schloss. Im Werkzeugkämmerli nahm es den Karst und die Hacke, die Setzschnur und den Erbsensamen und Schritt damit eilig seinem Mätteli zu. Wie mochte es aussehen, sein schönes, gottgesegnetes Flecklein Eigenland ?
Jahr für Jahr gab es ihm, wenn auch nach hartem Ringen, Brot und Kartoffeln und für die Geiss das Gras.
Sogar ein kleines Pflanzplätzli hatte es im äussersten Zipfel gegen Herren-Niggis Matte zu.
Was diesem die zwei Braunen fuhrwerkten und an Lasten abnahme, musste es alles mit seinen magern Armen erschinden. Auf dem Karren zog es den Mist aufs Aeckerli. Auf dem Karren fuhr es die Bschütti hinaus. Heimwärts war’s nicht minder schwer, bis Heu und Emd, Kartoffeln und Kraut unter Dach waren.
Alles Verbitterte und Boshafte war plötzlich aus Lisi’s Antlitz gewichen. Liebevoll und weich war der Blick, mit dem es jetzt hinüber spähte.
Wieviel liebe Erinnerungen barg das Stückchen Land ! Nur ein Schatten trübte diese Erinnerungen. Oh der! Der da drüben ! ---
Hastig schritt Lisi aus.
Da war es richtig beim Geissmätteli und fand alles so, wie es die Dinge vorausgesehen. Noch schlimmer! Nicht nur zwei Radspurenliefen durchs Gras, nein acht waren es ! Wunden, in denen das Wasser lag ! Und erst noch die Pferdehufe !
Herrgott, wie war das Mätteli zugerichtet ! Langsam stieg die Röte in Lisi’s gefurchte Stirn. Bis in die Haarwurzeln schlug sie und brannte über das ganze Gesicht. Eine Träne perlte über die Runzelwange und fiel auf die braune Arbeitshand. Trauer und Zorn entstellten Lisi’s Gesicht.
Blitz – blatz – blitz – blatz ! kam das Geisselklepfen das Rainlein herauf.
Da fuhr Lisi zusammen wie von einer Schlange gebissen. Mit fliegender Hand wischte es die Träne aus dem Auge. Es zwang einen freundlichen Ausdruck in sein Gesicht, ergriff die Messschnur, lief hinüber zum Pflanzplätzlein, mass mit Schritten die Fläche und steckte die Schnur ein. Keine Hast war an ihm. Es werkte wie immer, in gelassener Ruhe. Blitz – blatz – blitz – blatz !- Jetzt war das Klepfen dicht an seiner Seite. Es schaute auf und gewahrte, wie der Herren-Nigg den Rossen die Zügel straffer zog. Es sah aus, als wäre er einen Augenblick ratlos und ungewiss, welchen Weg er mit seinem Gefährt nehmen sollte.
Tag Lisi, bist auch schon im Gusel ? grüsste er von seinem hohen Tron.
Man muss, kam die knappe Antwort.
Lili sah nicht auf und hantierte weiter.
Nun hielt der Bauer den Wagen doch an. Heute käme mir dein Mätteli wieder kommod, Lisi ! neckt er.
Kochend wallte in Lisi das Blut auf. Aber es tat nichts dergleichen. Es richtete sich auf und rief hinüber: Wahr ist’s, ein weiter Umweg ist es schon, der Strasse nach, für auf deinen Grossacker!
Der Bauer horchte auf. Was sagst? fragte er überrascht und bog sich ein wenig hinüber von seinem hohen Sitz. Er legte die Hand hinter die Ohrmuschel, damit er Lisi’s Rede besser auffange. Dass du wirklich einen weiten Umweg machen müsstest, um auf deinen Acker zu kommen.
Diesmal redete Lisi laut. Nicht weil der Herren-Nigg übelhörig war, sondern weil die gebändigte Täubi sich nicht mehr still halten wollte und aus ihm heraus schrie.
Und diesmal verstand der Grossrat. Ein leises Erstaunen schärfte seine Züge. Lauernd äugte er hinüber zu seiner Nachbarin. Hatte bei Lisi der Wind umgeschlagen?
Ja gäll, jetzt siehst es endlich ein, pflichtete er lebhaft bei.
Wenn ich über dein Ackerli fahre, mache ich den Kehr im halben Tag zehnmal. Wenn ich aber dem Weg nach muss, nur siebenmal, stellte er fachlich fest und wartete die Wirkung seiner Rede ab.
Da schrie Lisi resolut: so fahr zu Herren-Nigg Einmal mehr oder weniger kommt auf eins heraus.
Argwöhnisch schielte der Bauer hinüber. Erstaunt, zweifelnd, ungläubig. Er traute der Sache nicht. War es am Ende dem Lisi ernst? – hatte es am Ende den Handel überlegt und war gewillt, sein Ackerli zu verkaufen? – Nicht ein Scheinlein Spott, nicht der Schatten von Ironie lagen in seinem Gesicht. Undurchdringlich war seine Miene.
Da lenkte der Herren-Nigg seine Rosse hinüber. Hüst, schrie er und sie bogen ein ins Geissmätteli. ----
Gravitätisch tronte Herren-Nigg auf seinem Fass. Wohl war ihm Lisi Rede ihrem bisherigen Gehaben nach unverständlich. Aber er war nicht der Mann, der nachdenklich anderer Leute Beweggründe zu erforschen versuchte. Er nahm Lisi’s Erlaubnis als Huldigung seiner grossrätlichen und grossbäuerlichen Würde, als Respektbezeugung.
Im Herbst sollst für den Schaden zwei Körbe Erdäpfel haben, Lisi, versprach er gönnerhaft.
Da fuhr er schon übers Geissmätteli, der lange dicke Bschüttwagen. Er nahm sich auf Lisi’s armmütig kleinem Mätteli aus wie der Riese im Zwergenreich.
Jetzt galts ! Wie der Blitz schiesst Lisi auf und zum Wagen. Es krampft seine Linke am Rande des Fasses fest und fasst behutsam mit der Rechtern nach dem Hebel. Blitzschnell dreht es ihn auf.-
Schwupp ! – schiesst die Jauche in breitem, dunklem Starhl aufs Geissmätteli ! Die ganze, dürftige Breite deckt er. – Auch Lisi’s Schürze hat einen Schwall bekommen. Was tut’s? Daheim hat man Wasser und Seife und Lisi hat noch mehr Schürzen ! Zehn, zwanzig würden es nicht reuen, heute, heute! Jetzt, wo es dem Herren-Nigg ein Schnippchen schlagen, ihm zum Narren halten, ihn so übertölpeln kann !
Da ! Da fährt er! Gross, stolz und aufrecht hockt er auf seinem weitbauchigen Bschüttwagen und lenkt selbstbewusst die zwei Brauen.
Wie ein König stolzt er und weiss nicht, dass ihm hinten seine Bschütti zum Fass aus läuft! Aufs Geissmätteli läuft! Auf sein, auf Schäui-Lisi’s Geissmätteli!
Ha- ha-ha-, zum Lachen, ist‘s, zum Lachen – Er merkt nichts. Sieht nichts. Hört nichts, der Ghörübel! Ahnungslos fährt er zu.
Dem hab ichs gereiset, dem Grossgrind, dem aufgeblähten Truthahn, murmelte Lisi und steht mit verzücktem Gesicht. Es hat die Fäuste in die Hüften gestemmt und schaut dem Wagen nach. Sowohl war ihm seit Jahren nicht ….
Der Herren-Nigg fährt in dem Augenblick bei seiner Matte an, wie das letzte braune Strählchen ins Geissmätteli rauscht.
Höö, waha ! schreit er den Rossen zu und springt vom Wagen. Er läuft nach hinten und will den Hebel aufdrehen- Da sieht er, dass das Fass leer ist. ---
Potz Bomben-Granaten ! Jetzt hat’s eingeschlagen beim Herren-Nigg !
Was Millions Tusigdonners soll jetzt das fein? Ein Lümmelstücklein, ein Lausbubenstreich ! Wenn ich den Schlingel in die Finger bekäme, dem würde ich die Ohren strecken und das Leder gerben, dass ihm das Liegen weh tun würde. Jawolle, dem wollte ich ! Dem ….
Da pirscht sich Lisi heran. Furchtlos schreitet es daher, aufrecht und gerade steht es vor dem wütenden Grossrat. Scharf äugt es ihn an und sagt: Los Herren-Nigg, den Zapfen habe ich aufgezogen. Dieses Fass Bschütti gehörte mir und nicht dir verstanden !
Es ist nichts als recht und billig, dass man einem armen Wittfraueli auch sein Mätteli bschüttet, wenn man es ihm ganz verhunzt und verketzert hat. --- Diesmal ging’s für mich leichter, als wenn ich die Bschütti im Stossbücki auf dem Karren hätte hinausziehen müssen. Ich dank dir für den Liebesdienst, Herren-Nigg …
Der steht sprachlos. Er steht mit offenem Munde, sucht nach Worten, sucht - -- .vor lauter Verblüffung vergisst er das Wüest tun. Er steht wie ein begossener Pudel, der kleinlaut den Schwanz zwischen die Beine kneift.
Langsam rötet sich sein Gesicht. Jetzt wird es krebsrot und die Ader auf seiner Stirne schwillt. In seiner Verlegenheit brüllt er die Rosse an: Hee,Fanny! Willst stehen oder nicht ? Und du Fürst ! Hüst Fanny ! ich will dir ! …
Saperlott, ich will euch Mores lehren, euch zweien ….
Er wendet den Wagen mit Lärm und Gepolter mit Schreien und Wettern und überschreit seinen Aerger.
Ein kurzer, scharfer Knall, ein giftiger Peitschenknall zerreisst die blaue Sommerluft.
Jetzthat der Nigg das Gefährt dorfwärts gewendet. Sekundenlang zieht er die Zügel an und fasst seine Nachbarin ins Auge, mit einem Blick – einem Blick, der mehr sagt als tausend Worte ----
Aber Schläui- Lisi ist nicht furchtsam und hält den Blick aus. ---
Schon rattert der Wagen davon. Die Rosse greifen scharf aus.
Da fällt Lisi noch etwas ein. Es springt dem Fuhrwerk nach und schreit in das holpern des Wagens hinein: Dass du’s weisst, Herren-Nigg, die versprochenen zwei Körbe Erdäpfel will ich erst noch obendrein im Herbst, sonst verklag ich dich an der nächsten Wäsche beim Lisebeth.
Der Bauer gibt keinen Bescheid und sieht gradaus. –
Lisi legt seelenvergnügt seinen Erbsensamen in die aufgerissene Furche. Die Erbsen sollten schon vierzehn Tage im Boden sein. Aber item ! Nicht zu sehr pressieren, ist manchmal auch gut.
Eine gute Weile später kommt der Herrenbachüttwagen wieder das Rainlein herauf. Lisi erkennt ihn von weitem. Auf dem Fass aber tront diesmal der Brächt.
Schade, es hatte noch eines parat, das es dem Niggi hinter die Ohren geben wollte. Aufs Trümpfen, verstand sich das Lisi –
Dr Brächt – das steht ausser Frage – fährt dem Weg nach. Soviel weiss Lisi zum voraus. Der Umweg ist ihm nicht zuwider. ---
Wie der Brächt mit dem leeren Wagen an ihm vorbei zurüchfährt, dorfwärts, sagt es wie von ungefähr. Ist das Bschütten dem Meister verleidet, Brächt ?
Muss halt noch mit dem Vieruhrzug nach Bern an eine Sitzung, der Meister. Berichtet der Knecht. Es gibt halt manchmal etwas Unvorhergesehenes …
So so, macht Schläui – Lisi trocken und lächelt. – Schweigend deckt es die letzte Furche Erbsensamen zu.