Die Aarberger Fliehburg


Wenn wir vom Bahnhof Aarberg die Strasse Richtung Seedorf verfolgen, erblicken wir dort, weo sie zu steigen beginnt, rechter Hand einen oben merkwürdig abgeflachten kegelförmigen Hügel. Unser Schulmeister hätte diese Form seinerzeit vermutlich als Kegelstumpf bezeichnet. Von den Aarbergern wird diese Anhöhe „Burg“ genannt und das anstossende Gebiet heisst „Tiergarten“.

Diesen Burghügel wollen wir miteinander etwas näher ansehen. Wir stellen deshalb unsere Velos beim Holzschopf links der Strasse an den Schatten, so dass wir bequem den Wald gewinnen können, der uns in seiner Kühle von Süden her in die Nähe führt. Ein tiefer Quergraben trennt den Burghügel vom südlicheren Gelände ab. Man sieht es gut, das Ganze ist nicht von Natur so gebildet, sondern künstlich geschaffen worden. Der abgetrennte Hügel wurde nachher oben ausgeebnet, die Böschungen durch Abgraben gleichmässig steiler gemacht. Von irgendwo her wurde dann Lehm herbeigeschafft, mit dem man dem Ganzen ein wetterhartes Kleid verschaffte. In gleichmässiger Schicht wurde der Lätt eingebracht und so festgestampft, dass ihn der Regen bis heute nicht abtragen konnte. Eine sehr gute Arbeit, wenn man sich vorstellt, dass sie vor mehr als tausend Jahren vollbracht wurde.
Eine steinerne Burg ist dort oben vermutlich nie gestanden. Nachgrabungen in den zwanziger Jahren des letzten Jahrtausends förderten keinerlei Mauerreste zutage. Es handelt sich also bei dieser „Burg“ um eine sogenannte Erdburg, eine Fliehburg, auch Refugium genannt, wohin die Bevölkerung bei Kriegsgefahr sich zurückziehen konnte, zu jener Zeit, als die Feuerwaffen noch gänzlich unbekannt waren. In Sicherheit gebracht wurden vor allem alte Leute, Frauen und Kinder. Am Rande der ebenen Fläche müssen wir uns rundum einen Wall vorstellen, der als zusätzliche Schutzmassnahme noch einen kräftigen Palisadenzaun trug.

So hinter Wall und Graben geschützt, mochten die Flüchtlinge auch längere Zeiten der Unsicherheit wohlbehalten überlebt haben. Das nötige Trinkwasser bezogen sie wahrscheinlich aus einer Zisterne, während mitgebrachte Vorräte und das Fleisch geschlachteter Tiere die nötige Nahrung boten. Woher die Leute kamen, die dort Schutz fanden, lässt sich nicht mit Ortschaftsnamen benennen, jedenfalls nicht aus Aarberg und aus keinem der heute bekannten Orte; denn es gab sie alle damals noch gar nicht. Hingegen lässt sich errechnen, wieviele Menschen etwa Zuflucht fanden. Das Plateau bildet eine elliptische Fläche von ca. 20 auf 40 Meter. Über das Alter der Anlage findet man verschiedene Angaben. So nimmt Hunger als sicher an, dass auf diesem Hügel in alemannischer Zeit, also im 4.- 5. Jahrhundert, eine Fliehburg bestand, während man heute vermutet, sie sei im 9.Jahrhundert gebaut worden.

Bevor wir wieder umkehren, setzen wir uns noch ein Weilchen an den Schatten und überlegen, wie Vieles eigentlich unbeantwortet bleiben muss. Ich denke an die Frage, ob nicht schon zur Zeit der Kelten, also in vorrömischer Zeit, ein Refugium bestanden habe. Sehr gut denkbar wäre auch, dass die Römer dann an der gleichen Stelle eine Warte errichteten, da man von der Burg aus einen gehörigen Teil des Seelandes überblickt. Bei den Grabungen stiess man ganz unerwartet in geringerTiefe auf Steingräber, was der Sage, dass auf dem Burghügelseinerzeit ein Friedhof bestanden habe, entsprechen würde. E.F. von Mülinen berichtet in seiner „Heimatkunde“, dass noch 1770 bei der Erdburg ein gemauerter Turm gestanden sei, was vermuten lässt, dass ein Dienstmann des Grafen von Aarberg dort wohnte, bevor gewiesen, dass im nöhern Seeland noch eine ganze Reihe von Fliehburgen bekannt sind, so das Erdwerk bei Suberg, der Zwingherrenhubel bei Büetigen, der Burghügel bei Janzenhaus, die Teufelsburg bei Rüti und der Kirchbühl in Lyss (Chiuchhübeli –Sandsporn heutiges Pfadihaus)