Die Ländti in Büren an der Aare

Als ich zur Ferienzeit mit meiner Frau dem Städtchen Büren wieder einmal einen Besuch abstattete, daa zog es uns nach dem üblichen Rundgang unwiderstehlich hinunter ans Wasser, auf die Ländti. Auf einer Bank fanden wir ein Plätzchen, so recht zum Verweilen, zum geruhsamen Betrachten der ziehenden Wasser, der Brücke und der Rückseite des Städtchens. Weder grad besonders anziehend fanden wir diese Rückseite gar nicht mehr und wir vergaben uns nichts, wenn wir ihr den Rücken zuwandten.

Die Neunuhrmeldung der Kirchenuhr war schon ein Weilchen verklungen, als plötzlich wichtiges Tuten das Nahen eines Schiffes ankündigte. Wir setzten uns näher ans Wasser auf die Mauer, einmal um ja nichts zu verpassen von dem wichtigen Geschehen  und zweitens, um möglichst bald etwas von dem zu sehen, was uns neidischer weise das Laub des Ufergehölzes zum grossen Teil verbarg. Kein Mensch wollte scheinbar aussteigen und zum Einsteigen hatte sich niemand eingefunden, begreiflich, von dem gemütlichen Städtchen Büren trennt man sich nicht schon vormittags 9 Uhr.

Ein zweites Tuten, etwas enttäuscht, viel weniger wichtig schien es uns zu klingen und das Schiff rauschte vorbei, recht eindrücklich das Wasser aufwühlend. Unter der Holzbrücke hindurch wurde es keck in die Ferne gesteuert, an Gottstatt vorbei und Brügg, dem Bielersee zu.

Nicht lange blieb uns Zeit zum Sprächeln, da tönte von der Bielerseite her manierliches neues Tuten. Zwischen den Pfeilern durch sahen wir ein zweites Schiff der Aareflotte sich nähern, kleiner, bescheidener, aaber besser besetzt aals das erste. Sobald es nach einem letzten wirbligen Schäumen vertäut am Stege lag, da quoll es heraus, eine ganze Schar von Schülerlein, zwei Lehrerinnen und einige wenige übrige Passagiere, die rasch und entschlossen dem Städtchen zu strebten, während die beiden Lehrgotten ihr Volk zu ordnen begannen. Endlich war die Zweierreihe marsch bereit, hing der letzte Rucksack am zugehörigen Rücken. Noch winkten die Schüler uns einsamen Bummlern Adieu, eine der Lehrerinnen stellte sich an die Spitze, die Führung übernehmend, zur Kirche hinauf und weiter, einem fernen Schulreiseziel entgegen.

Wie herzerquickend ist doch so ein Ferienbummel! Man hat Musse, vieles zu entdecken, das man doch noch nicht kannte, manches zu erfragen, an das man nie zuvor gedacht, hier Grüsse auszutauschen, dort bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Schärferem einen Schwatz zu halten und so mit immer neuen Schicksalen in Berührung zu kommen. In unserem leichten Mäpplein finden sich neben den unvermeidlichen Stümpen ein paar Früchte, vielleicht ein Weggli und als dauernde Reisebegleiter Wanderbuch, Heimatbuch, die nötigen Blätter der Landkarte und ein Heft mit Notizen aus Büchern und Zeitschriften.

As könnte die Ländti in Büren nicht alles berichten, was könnte der heimatkundlich interessierte Leser nicht alles in Büchern zusammen suchen, um den Veränderungen aam Bild durch die Jahrhunderte bis zum heutigen Tag zu folgen.

Da weder für die Ländti noch für die erste Brücke ein Erbauungsjaahr bekannt ist, sind wir auf Schätzungen angewiesen. Nach meinen Notizen erfolgte der erste Brückenschlag um das Jahr 1300 herum. Vorher wurde der Wanderer mit einer Fähre über den Fluss gebracht, vom Bernbiet in das Fürstbistum Basel hinüber oder umgekehrt, wobei als bernische Anlegestelle sicher die Ländti zu dienen hatte. Ichstelle mir das Fährschiff so gross vor, dass mit den Reisenden auch die verschiedensten Waren übersetzt werden konnten. Der Querverkehr war zwar zu jeder Zeit geringer als der Längsverkehr flussaufwärts und namentlich abwärts, der auf Weidlingen verschiedenster Grösse Pilger,Marktfahrer, Kranke ihren fernen Zielen entgegenführte.

Es wäre ein Fehler, wollten wir annehmen, alle diese Schiffe seien meistens am kleinen Städtchen vorübergefahren. Ein Bild der Ländti aus alter Zeit würde uns eines Besseren belehren. Die anstossenden Häuser enthielten direkt zugängliche grosse Weinkeller und Lagerräume für Kaufmannswaren, auchdas Gebäude, welches dort stand, wo sich heute das hässliche Schlachthaus befindet. Weinhandel war im alten Büren ein wichtiges Gewerbe. Aus dem Waadtland wurde Ryff-Wein und Lacôte per Achse bis an den Murten- oder Neuenburgersee gebracht, wo die Fässer auf Schiffe verladen wurden, welche in der Lage waren, gegebenenfalls auch ein rechtes Quantum Neuenburger mit zunehmen. Noch heute sagt man in Neuenburg von einem, der schwankend das Wirtshaus verlässt: „il a chargé pour Soleure“ Nicht aller Wein wurde in Büren ausgeladen, denn der Durst ist nicht nur eine Eigenschaft der Stedtlibewohner und der Dörfler im Umkreis. Auch weiter aareabwärts wusste man, gleich wie heute, einen guten Tropfen durchaus zu schätzen.

Viel Kaufmannsgut, so etwa Murtenchabis (Tabak) wurde in die Magazine verbracht und vom Händler an die Krämer der ganzen Gegend verkauft. Da zu jener Zeit auf dem Land kein Krämerlädeli seinen Besitzer zu ernähren vermochte, widmete sich der Negotiant“ meist noch einem Beruf, der ihm den Wareneinkauf nur am Sonntag erlaubte, wobei er mit einem Handkarren die Waren in Büren abholte, um sein bescheidenes Lager wieder aufzufülleen.

Bevor die Rheinsalinen die Salzversorgung sicherten, musste Bern einen grossen Teil des benötigten Salzes aus Salins in Burgund beziehen. Die Ausbeute in Bex genügte nicht für die Deckung des Bedarfes. Das burgundische Salz wurde in Yverdon eingelagert und von dort so weit möglich auf dem billigen Wasserwege an die einzelnen Faktoreien geliefert, auch nach Büren.

Zweimal im Jahr fand die Zurzachermesse statt; zweimal im Jahr nahm das Zurzacher Mess-Schiff in Büren Reisende und Waren auf. Diese Schiff fuhr um 6 Uhr morgens in Freiburg ab, erreichte gegen 11 Uhr Aarberg, wo, wie auch an den weiteren Landungsstellen, ein längerer Verpflegungshalt eingeschaltet wurde. Je nach Durst der Reisenden und der Mannschaft startete man früher oder später, doch so, dass man um 1 Uhr in Büren landen konnte. So war es möglich, gegen 19 Uhr in Solothurn anzulegen, von wo das Schiff am andern Morgen um 6 Uhr die Weiterreise antrat.