«...in Unsern Landen entstanden namhafte Feürsbrunsten...»

Wer im Buch der Geschichte nur 2-3 Jahrhunderte zurückblättert, der stellt mit Schaudern fest, dass jede unserer seeländischen Ortschaften mehrmals von schrecklichen Schadenfeuern heimgesucht worden ist, Schadenfeuern, mit denen unsere heutigen grössern Brände an Ausdehnung keinen Vergleich aushalten. Zu jener Zeit wurden die Häuser alle aus Holz gebaut und mit Strohschauben oder Schilf gedeckt. Selbst in den Städten herrschte das Holzhaus lange Zeit vor, was die verheerenden Stadtbrände verständlich macht, das umso mehr, als in der städtischen Küche wie

auf dem Lande die eisernen Kochtöpfe auf einer Steinplatte oder in einer Feuergrube am offenen Feuer standen. Zur Beleuchtung bediente man sich eines Kienspans oder des Öltägels ohne Glas. Die geringste Ungeschicklichkeit konnte den verheerenden Brandausbruch zur Folge haben.


"Der zerstörenden Feuerwirkung stand der Mensch bis ins späteste Mittelalter

hinein sozusagen rat- und hilflos gegenüber. Zudem hielt man eine Feuersbrunst für ein Strafgericht Gottes, wogegen der Mensch nicht auftreten dürfe, und der Aberglaube (Feuerbannen) spielte nach weit ins 19. Jahrhundert mit», sagt Lüthi in seiner «Entwicklung des Feuerwehr Wesens». Zur Illustration zitieren wir eine Eintragung von Pfarrer H. I . Haller im Taufrodel von Lyss unter dem

Datum des 24. Februars 1694. Es heisst dort, dass


«ungefährd urnb 3 Uhren nach Mittag eine erschröckenliche Feürs brunst hier im Dorf durch Gottes gerechte Verhängnus entstanden, als wegen einer starken Bysen innert 1/2 Stund 16 Firsten, darunter auch das Schulhaus gsin, in der Aeschen gelegen; darinnen ist auch verblichen und verbrunnen Maria Kuster, ein altes, unverheiratetes brästhaftes Mensch... Ist in das Haus gelaufen,

vermeinend, noch etwas von dem Bettgewand zu erretten, inzwischen wurd das Feür so gross, dass es sich nit mehr daraus salvieren können: den verbrannten Cörpel hat man in dem Kilchhof zur Erden bestattet

Vor dem Aufkommen der Feuerspritzen im 17. Jahrhundert war der Feuereimer die einzige Vorrichtung, um das Löschwasser auf das Feuer zu werfen. In langer Kette wurden die vollen Eimer vom Bach, See oder Feuerweiher weitergegeben bis zum Brandherd. Wenn wir uns einen Vollbrand vorstellen, wird uns klar, wie unzureichend die Brandbekämpfung damals war. Zudem konnte es sehr gut der Fall sein, dass die hölzernen Kübel gerade «erlächnet›> und unbrauchbar waren. Das

Aufkommen der ledernen Eimer im 15. Jahrhundert muss direkt als wichtiger Fortschritt bezeichnet werden. Weder eine viel wirksamere Feuerbekämpfung wurde auch mit dem Ledereimer nicht erzielt. Brach etwa zur Sommerszeit, wenn Dach und Fach klingeldürr und ausgetrocknet Waren oder bei Wind in der Nacht, Feuer aus, dann genügte fast ein Funken, um ganze Häusergruppen in Asche sinken zu lassen.

So brannte am 24. März 1419 das Städtchen Aarberg vollständig nieder. Selbst Schloss und Kirche fielen dem Feuer zum Opfer. An diesem Tag war gerade ein neuer Landvogt aufgezogen. Sein Hausrat lag noch auf den Fuhrwerken im Schlosshof. Da verbreitete sich mit Windeseile das Feuer. Der hohe Herr konnte sich nur noch durch einen Sprung hinten hinaus in den Graben retten. Eines seiner Kinder aber kam mit der Gespielin und einer Magd in den Flammen ums Leben. Auch ein

Burgknecht konnte sich nicht mehr retten.


Von grossen Bränden heimgesucht wurde im Jahre 1704 das Dorf Kallnach. Am 6. Juni verbrannten 3 Bauernhäuser, 2 Scheunen, 1 Speicher und 1 Ofenhaus. Lm November gleichen Jahres gingen 6 Häuser und 2 Ofenhäuser in Flammen auf. In Bittwil wurden am 10. Mai 1857 9 Gebäude ein Raub der Flammen. Ganz schauerlich muss am 18. April 1851 die Feursbrunst in Nods gewesen sein, fielen ihr doch über 30 Häuser zum Opfer. In der bitter kalten Nacht des 9. Februars 1830 gegen

21.30 Uhr brach zu Twann in der Werkstatt des Schreiners Ferdinand Engel ein Brand aus. Die Spritzen fuhren von der Bachtelen über das Eis bis in die Fraubrunnenländte. Auch die Tüscherzer kamen über das Eis auf die Brandstätte. Das Feuer konnte rasch gelöscht werden, doch verbrannten sämtliche Werkzeuge, das vorrätige Holz, sowie alles, das sich im Augenblick in Arbeit befand. Schlimm wütete das beutegierige Element am 29. Herbstmonat 1832 in Lignières, wo 21 Häuser mit-

samt der ganzen Ernte an Korn und Heu vernichtet wurden. Eine Notiz aus Walperswil besagt:

„Den 6. Juli 1843 in der Nacht um 11 Uhr ist bei starkem Wind in Walperswil Feuer ausgebrochen. Es sind 18 Häuser verbrannt und es konnte fast nichts gerettet werden. Es ist auch ein Mädchen von 24 jahren verbrannt

Gelegentlich wird Brandstiftung vermutet. So lesen wir über eine Brunst zu Büetigen:

«Den 14. September anno 1601 hat es zu Büetígen gebrunnen und sind 4 burenhäuser und 5 spycher, vil alt korn darinnen und etwa 7000 garben korn, vil haber sampt vilem heüw verbrunnen. Man hats darfür gehalten, es sei durch böse lüth angesteckt worden.»

Eine andere Meldung besagt:

«Den 28. Brachrnonat 1852 morgens um halb 1 Uhr ist zu Bipschal das Haus des Emanuel Bärtschi und Alexander Cortaillod abgebrannt. Man vermutet Brandstiftung»

Das Ausgeliefertsein der Menschen an solche Gefahren, der meist erfolglose Kampf gegen das wütende Element, muss den Erfindungsgeist zur Suche nach technischen Hilfsmitteln für die Brandbekämpfung angeregt haben. Haken Wurden konstruiert, welche erlaubten, dem Feuer die Nahrung wegzureissen, Leitern, mit deren Hilfe man mit dem Eimer näher zum Brandherd gelangte und schliesslich Handspritzen, mit denen man kleine Wassermengen, - zirka 5 Liter - zielsicher direkt ins Feuer spritzen konnte. War jedoch ein Brand richtig entwickelt, so glich der Einsatz dieser

Mittel etwa dem Kampf von Ameisen gegen Elefanten. Einigen Erfolg versprachen nur Massnahmen zur Verhinderung von Brandausbrüchen. Dabei war es fast nur in den Städten möglich, auf diesem Gebiet etwas vorzukehren. So erwähnt Hunger, dass in Aarberg im Jahre 1405 für alle Häuser Ziegelbedachung vorgeschrieben wurde und 15 Jahre Später, dass alle Gebäude in Stein aufzuführen seien. Feuerschauer mussten mehrmals jährlich den Kehr machen und scharf auf alle Verstösse

gegen die Feuerordnung achten. Auf dem Lande wurden noch Jahrhunderte später Holzhäuser mit Strohbedachung gebaut.

Eine wirkliche Brandbekämpfung wurde erst mit den grossen Feuerspritzen, den Handdruckspritzen, möglich, wobei zuerst nur sog. Wendrohrspritzen ohne Schläuche und erst später Schlauchspritzen mit Windkessel erstellt wurden. Die Geschichte des Löschwesens war während nınd 300 Jahren unzertrennlich mit derjenigen der Feuerspritzen verbunden. Diese Spritzen aller Systeme mussten aber gut gepflegt und unterhalten werden, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, im Augenblick der Gefahr dem Feuer hilflos zusehen zu müssen, eine Situation, in der ich selber vor 50 Jahren eine ländliche Feuerwehr gesehen habe.

Ab 1715 begannen die gnädigen Herren in Bern den Gemeinden «zur steür an Feür Sprützen» Staatsbeiträge auszurichten. So erhielten auch einige Seeländergemeinden eine Beihilfe zur Anschaffung von Spritzen, z. B. im Jahre 1762 Kallnach, 1771 Seedorf, 1773 Schüpfen, 1781 Müntschemier. In meinen Notizen finde ich die Meldung:


«Den3.Hornung (Februar) 1849 ist die neue Suugfeuerspritze für die Gemeinde Ligerz angelangt. Sie ist durch Mechaniker Schenk 'verfertigt und kostet 92 Louis d'or oder Fr. 1472.-_ Sie schöpft per Druck 3 Mass Wasser und wirft dasselbe durch 100 Schuh lange Schläuche 112 Schuh weit»

Hier wird als Konstrukteur Mechaniker Schenk in Worblaufen angeführt. Da aber in der alten Zeit die Spritzenfabrikation manchem einigermassen geschickten Mechaniker geläufig war, zählt die Geschichte neben Schenk noch andere Ersteller auf, so zum Beispiel den Zeughausschmied Hartmann Urech, den Geschützgiesser Maritz, beide in Bern, den Kupferschmied Jakob Wirz in Zürich und viele andere. Sogar ein Schreinermeister, Abraham Mäschi in Büren, führte 1755 dem Kriegsrat ein

«Kunststück einer neüen Sprüze» mit namhaftem Erfolg vor (Lüthi). Am 9. September 1788 erschien eine Feuerordnung der bernischen Obrigkeit für die Grafschaften Erlach, Nidau,Aarberg, Büren und die Ämter St.Johannsen und Gottstatt. Sie behandelte 3 Gebiete, nämlich:


1. Vorsorge, wie sich vor Feürsbrunsten zu bewahren. Jede Ortschaft hatte einen Nachtwächter, einen Brandmeister und einen Feuerschauer zu bestellen. Die Inspektionen des Fenerschauers hatten viermal jährlich stattzufinden. Über seine Beobachtungen hatte er jeweilen dem Landvogt Bericht zu erstatten.


2. Vorsorgen vor entstehendem Brand, wobei die Anschafung einer Spritze und die

Ausbildung der nötigen Mannschaft wichtigste Anliegen darstellen.


3. Anstalten bey sich ereignenden Feürsbrunsten. Aus den wohlüberdachten Vorschriften seien nur erwähnt, dass jedermann auf dem Brandplatz mitzuhelfen hatte, namentlich auch bei der Wasserzufuhr in der Eimerkette. Wirte und Müller hatten zum Ziehen der Spritze die nötigen Pferde und den Fuhrmann zur Verfügung zu stellen. Wir haben uns bis jetzt mit Brand und Brandbekämpfung beschäftigt und möchten zum Schluss noch der <<Brunstleidenden›>, der Brandgeschädigten, gedenken. Für sie gab es erst ab 1. Januar 1883 die obligatorische Brandversicherung, vorher bestanden während eines halben Jahrhunderts mehr oder weniger Wirksame Möglichkeiten auf dem Boden der Freiwilligkeit und vor 1806 überhaupt nichts. Wer also vor dem Jahre 1883 einen Brandschaden erlitt, der war auf die Liebestätigkeit angewiesen. Durch Gaben aller Art, in bar und natura, suchte jedermann den Brunstleidenden den Wiederaufbau ihres Heims zu erleichtern. Dabei waren es nicht nur die Nachbarn und die Leute des eigenen Dorfes, sondern gutherzige Menschen aus der ganzen Gegend auf 10 km Umkreis. Selbst bucheggbergische Gemeinden sammelten «Liebessteuern» für brandgeschädigte Berner.


Die Gemeindebürger von Oberwil bei Büren trugen im Herbst 1862 für die Brandgeschädigten von Plagne 20 Säcke Erdäpfel, 5 Säcke Korn, 6 Säcke Apfel- und Birnenschnitze, 1 Kiste Kleider und Fr. 22.20 an barem Geld zusammen. Auf näher gelegene Brandplätze wurde auch Bauholz «gesteuert», Schwellen, Rafen, Latten, anderes Holz, Strohschauben, alles, was sich auf dem eigenen Betriebe erübrigen liess. Wer weder Bargeld noch Bauholz stiften konnte, bot Gratisfuhrungen und Handarbeit an, z. B. auf dem Zimmerplatz, wo sozusagen jedermann mit der Hauaxt umzugehen verstand. Geschenkweise wurden von Verwandten und vermöglichen Bekannten auch Türen und beschnitzte Büge verehrt.


Zum Schluss möchten wir ganz summarisch die grössten Brandfalle des 19. Jahrhunderts anführen. Damit das Verzeichnis nicht zu lang wird, allerdings nur jene, bei welchen die Schadensumme höher als Fr. 100 000.- war, Wobei nicht zu vergessen ist, dass nur der durch die Versicherung gedeckte Schaden erwähnt werden kann. Die Verluste an Vorräten und Mobiliar sind nirgends ersichtlich und deshalb nicht erfasst.

Ort                         Datum                                 Anzahl Gebäude             Schaden

Ins                         18. September 1848                      58                           128 345.-

Rüti bei Büren       20. Mai 1868                                  66                           177 695.-

Orpund                 28. Juni 1868                                  36                            99 502.-

Bözingen               4. Juni 1874                                   48                          310 730.-