Mühlesteine aus Schnottwil
Es ist nicht sicher, ob noch alle unsere Leser wissen, was ein Mühlestein ist und wie er ausgesehen hat. Sozusagen unbekannt aber wird es den Leuten sein, dass solche Steine in einer Steingrube südlich des Dorfes Schnottwil gebrochen worden sind.
Dieser Steingrube machen wir heute gemeinsam einen Besuch. Beim alten Schulhaus an der Dorfstrasse mitten in der Ortschaft Schnottwil zweigt die Strasse nach Biezwil ab. Ihr folgen wir bis zum letzten Haus auf der rechten Strassenseite, nach welchem ein Fahrweg leicht aufwärts gegen ein Felsgehölz führt. Das ist unser Weg. Wer de Abzweig verpasst, findet zirka 200 m vom Dorfrand entfernt, immer Richtung Biezwil gehend, einen Parallelweg, der mit leichter Steigung ebenfalls Richtung Feldgehölz und Steingrube führt.
Die Mühlesteingrube ist ein ganz ordentliches Loch, doch schön mit Holz bewachsen, der Ortsfremde hat direkt Mühe, den Eingang zu finden. Wer vom Dorf her kommt, der trifft zuerst auf den Scheibenstand, an dessen östlichem Ende wir auf die ebene Innenfläche der Grube eindringen können. Hier denke ich mir den Arbeitsplatz für das Behauen der Steine und den Ort, wo die fertige Ware gelagert wurde.
Im Hintergrund sehen wir die südseitige Felswand aufragen, viele Meter hoch, unbrauchbares Gestein, mehr oder Weniger harte Sandsteinschichten, welche die für Mühlesteine geeignete Nagelfluh Schicht überlagern. Soweit die Grube reicht, sind in der Anfangszeit des Grubenbetriebes die nicht verwendbaren Schichten im Tagbau abgetragen worden. Man wird aus den hartem Treppenstufen, Fensterwände oder Mauersteine fabriziert haben. Da die für Mühlesteine brauchbare Schicht nach Süden, also in das Berginnere abfällt, wurde der Tagbau immer schwieriger. Man begann deshalb, einen Stollen anzulegen, Welcher der Mühlesteinschicht folgte, deren Abbau spürbar erleichterte und verbilligte.
Ein erster Rundgang macht uns mit der Ausdehnung des Steinbruches, aber auch mit der Grösse der Schnottwiler Mühlesteine bekannt. Der Vorrat, welcher bei Aufgabe des Betriebes im Jahre 1867 noch vorhanden Ware und bis heute nicht verkauft werden konnte, ist nämlich geordnet deponiert und zur Schau gestellt. Man unterscheidet bei einem sogenannten <<Mahlgang>› zwei Steine, den Bodenstein und den Laufstein oder Läufer. Die Bodensteine sind wahre Riesen ihrer -Art mit zirka 150 cm Durchmesser, bis über 1 m Höhe und einem Gewicht von gut 40 Doppelzentnern.
Entsprechend ihrer Grösse und ihres Gewichtes stellten sie bei einem Mahlwerk den ruhenden Teil dar, welcher fest auf dem Boden lag, während der kleinere Läufer mit zirka 140 cm Durchmesser, ungefähr 40 cm Höhe und einem Gewicht von etwa 14 q auf dem Bodenstein herumgedreht wurde und dabei die Körner zerrieb. Beide Steine weisen im Zentrum eine Bohrung, ein Loch auf, zur Aufnahme der senkrechten Achse. Ein Hebelwerk erlaubte es, die beiden Steine einander so weit zu nähern, dass auch kleinste Bruchstücke des Kornes erfasst wurden. Als Antriebskraft für den Läufer diente bei uns ein Wasserrad, in Holland eine Windmühle.
Die Mühlesteine mussten äusserst sorgfältig aus der brauchbaren Nagelfluhschicht herausgebrochen werden. Es durften gar keine Risse und Spalten entstehen. Der Fachmann bohrte rund um den zukünftigen Stein herum zirka alle 10-12 cm ein Loch.
In jedes dieser Löcher wurden gut ausgedörrte, genau passende Holzzapfen hineingepresst, worauf mit Wasser gefüllte Trichter aufgesetzt wurden, was ein Aufquellen des Holzes und damit eine behutsame Loslösung des Steines bewirkte. Zur weiteren Bearbeitung wurde der abgelöste Klotz dann aus seiner natürlichen Umgebung herausgehoben und dem Steinhauer überlassen.
fertige Mühlesteine wurden am Rande der Grube gelagert und je nach Bestellungseingang abtransportiert. Wir stellen uns vor, dass Besitzer in der Nähe befindlicher Mühlen ihre Steine mit eigenem Gespann abholten. Wenn der Besteller aber sehr weit weg wohnte, in einem andern Kanton, im Ausland oder gar in Holland, dann wurde so weit als möglich der Wasserweg gewählt. Die Unternehmer in Schnottwil hatten für solche Transporte zur Ländte in Büren a. A. einen besonders starken Wagen bauen lassen, mit dem zwei Steine miteinander geführt werden konnten.
Die meisten Steine, für welche ein mittlerer Transportweg in Frage kam, seien von einem Schiffer aus Olten übernommen worden, welcher Übung hatte und die nötigen Einrichtungen für den Umgang mit derart gewichtiger Ware. Wenn das Ziel aber jenseits der Landesgrenze oder gar in Holland lag, dann wurden die Mühlesteine auf eines der Flosse verladen, welche Holz für den Schiffbau rheinabwärts brachten, häufig aus den Bürenwaldungen oder jenen des Bucheggberges. Es mag für den Freund heimatlicher Geschichte interessant sein, zu vernehmen, seit wann in Schnottwil Mühlesteine gewonnen wurden. So viel man weiss, taucht die Steingrube im Jahr 1504 erstmals in einer Urkunde auf, wobei wir erfahren, dass sie ein obrigkeitliches Lehen War, für das die Pächter von jedem verkauften Stein dem Staat eine bestimmte Abgabe zu entrichten hatten. Zum Schutz der beiden Unternehmer verbot der gleiche Staat jedem Müller, Getreide zu mahlen, bevor die gekauften Mühlesteine bezahlt waren.
Die Hochblüte der Mühlesteinfabrikation fiel in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es sollen damals jährliche Reingewinne von über Fr. 35 000.- erzielt worden sein und das mit nur 12-15 Arbeitskräften, Dann allerdings setzte der Niedergang ein. Die letzten Steine wurden 1867 verkauft,der Betrieb geschlossen. Aus Frankreich waren seit 1860 Champagnersteine eingeführt worden, die eine vorteilhaftere Ausmahlung des Kornes erlaubten. Der Schnottwilerstein war in kurzer Zeit aus den Mühlen verdrängt. Seither sind auch die Steine aus der Champagne wieder verschwunden, ersetzt durch die Walzen, welche eine Wahre Revolution in der Mehlfabrikation zur Folge hatten.