Melioration

Als Meliorationen wurden ursprünglich alle Massnahmen zur Bodenverbesserung bezeichnet. Im 20. Jh. erfuhr der Begriff eine Ausweitung: Er umfasste nun auch Massnahmen wie die Güterzusammenlegung und den Erosionsschutz und wurde schliesslich gleichbedeutend mit der umfassenden Restrukturierung der ländl. Räume (sog. Gesamtmelioration). In mehreren Entwicklungsphasen, die von den jeweiligen sozio-ökonom. Bedingungen geprägt waren, veränderten sich die Zielsetzungen und Massnahmen der Menschen.

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Bis ins 19. Jh. beinhalteten die M.en v.a. den Hochwasserschutz, die Bewässerung, Trockenlegungen, Wildbachverbauungen und Gewässerkorrektionen zur Sicherung von Siedlungen sowie zur Gewinnung und Verbesserung von Kulturland. Im Vergleich zu anderen westeurop. Staaten erfolgten rechtl. Regelungen in der Schweiz spät. Fast alle Kantone gingen dem Bund mit Gesetzen über Trockenlegungen und Entwässerungen, später auch über Feldeinteilungen, Bewässerungen und weitere Bodenverbesserungen voraus; eines der ersten dieser Gesetze schuf der Kt. Freiburg 1852. Eine Motion von Nationalrat Andreas Rudolf von Planta mit dem Ziel der "Hebung der Landwirtschaft" (1879) führte zum Bundesbeschluss betreffend die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund (1884, Bundesgesetz 1893) und insbesondere zur Unterstützung von Massnahmen zur "Verbesserung des Bodens". 1918 wurde innerhalb der Abt. Landwirtschaft des Bundes die Stelle eines eidg. Kulturingenieurs eingerichtet. 1939 verfügte das Eidg. Volkwirtschaftsdepartement die Umbenennung in Eidg. Meliorationsamt (heute Abt. Strukturverbesserungen im Bundesamt für Landwirtschaft). Die Bedeutung der M.en widerspiegelt sich auch im Bundesbeschluss von 1886, der eine Erweiterung der landwirtschaftl. Abteilungen am Eidg. Polytechnikum Zürich und die Einführung von Spezialkursen für Kulturtechniker vorsah. 1889 wurde eine eigenständige Unterabteilung für Kulturingenieure geschaffen; seit 1933 besteht die Abt. für Kulturtechnik und Vermessung (heute Dep. Bau, Umwelt und Geomatik an der ETH Zürich).

Zu Beginn des 1. Weltkriegs verzeichnete das Meliorationswesen einen allg. Stillstand. Zur Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion wurde dann in den Kriegsjahren die Meliorationstätigkeit intensiviert. Nach dem Krieg leitete Ständerat Hans Bernhard die sog. Innenkolonisation mit dem Ziel ein, bessere Lebens- und Produktionsbedingungen im ländl. Raum zu schaffen. Damit erhielt die M. eine raumordnungspolit. Funktion; der Begriff "agrikole Landesplanung" wurde insbesondere während des 2. Weltkriegs verwendet. Die M. beinhaltete nun die Neulandgewinnung und Entwässerung, Bodenverbesserungen zur Ertragssteigerung und Arbeitserleichterung, den landwirtschaftl. Hochbau, die Neuordnung der Parzellen sowie die Versorgung und Entsorgung ländl. Räume. Das Arbeitsbeschaffungsprogramm 1937 enthielt insbesondere Kredite für M.en. Das kriegsbedingte ausserordentl. Meliorationsprogramm 1941 diente primär der Lebensmittelproduktionssteigerung (Anbauschlacht). Der sog. Plan Wahlen zur Ernäherungssicherheit wurde aber auch zum Vorboten der Landwirtschaftszonen, obwohl dieser Begriff erst viel später Eingang in die Raumplanung fand.

In der Nachkriegszeit beinhalteten die M.en vorwiegend Güterzusammenlegungen, landwirtschaftl. Hochbauten, Weganlagen und Wasserversorgungen mit dem Ziel der rationellen Bodennutzung im Hinblick auf die Mechanisierung. Im Rahmen von Gesamtmeliorationen erfolgte eine umfassende Neuordnung des ländl. Raums unter Einbezug der Bedürfnisse von Landwirtschaft, Naturschutz, Erholungsraum und gegebenenfalls weiterer öffentl. Aufgaben (u.a. Nationalstrassen, Eisenbahnen, Deponien, Kraftwerke). Die Koordination mit Natur-, Landschafts- und Heimatschutzinteressen sowie mit der Raumplanung, insbesondere die Abstimmung auf die Ortsplanung, wurde in den 1970er Jahren zum Bestandteil der Projekte. Gemäss dem 1993 erarbeiteten Meliorationsleitbild werden moderne M.en als Instrument der Raumplanung, des Natur- und Landschaftsschutzes sowie der Strukturverbesserung in der Landwirtschaft eingesetzt. Damit werden auch umweltschützer. Massnahmen wie die Schaffung von ökolog. Ausgleichsflächen und Vernetzungen sowie Revitalisierungen von Gewässern verwirklicht.

Literatur – Ber. über das Meliorationswesen der Schweiz 1940-1946, 1947 – C. Pfister, W. Thut, Haushälter. Umgang mit Boden, 1986, (mit Bibl.) – 100 Jahre Abt. für Kulturtechnik und Vermessung an der ETH Zürich 1986, 1987 – «M.en», in Vermessung, Photogrammetrie, Kulturtechnik, 1991, 195-233 – Hist.-Statist. Atlas des Kt. Bern, hg. von C. Pfister, H.-R. Egli, 1998, 84 f. – 125 Jahre Bundesamt für Landwirtschaft, 2007, 88-98

Autorin/Autor: Thomas Glatthard

aus: Historisches Lexikon der Schweiz

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